Rieser Nachrichten

Erfahrunge­n für ein ganzes Leben

Johanna Seiler aus Appetshofe­n war ein Jahr lang Bayerische Bierkönigi­n. Heute endet ihre Amtszeit. Ein Gespräch über Bierkonsum, das richtige Verkosten und ihre Pläne nach der Regentscha­ft

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Frau Seiler, wo erreichen wir Sie gerade?

Johanna Seiler: Ich fahre gerade von Höhenrain nach Andechs zu meinem nächsten Termin im Kloster. Ich bin seit drei Monaten jeden Tag unterwegs und hab teilweise drei bis vier Termine am Tag. Da ist viel los momentan.

Sind Sie schon wehmütig oder ist dafür keine Zeit? Am Donnerstag werden Sie als Bierkönigi­n abdanken.

Seiler: Ein bisschen schon. Es war eine schöne Zeit, ich habe viel erlebt, ganz tolle Menschen und unser schönes Bayern kennengele­rnt. Natürlich viele Biere, da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Aber das merkt man erst, wenn man mal ein Jahr in Bayern unterwegs ist. Momentan ist es mir noch gar nicht richtig bewusst, dass es am Donnerstag vorbei ist. Ich werde eine Zeit lang brauchen, um die ganzen Eindrücke zu verarbeite­n. Es war ein schönes Jahr und ich habe viel über mich selbst gelernt. Das war eine Erfahrung fürs Leben.

Was für neue Orte haben Sie bereist? Seiler: Die Reise in den Libanon war klasse, China, Hongkong und Italien auch. In Bayern war ich zwar schon in allen Regierungs­bezirken, aber so richtig bewusst hat man das erst jetzt erlebt. In die Oberpfalz habe ich mich ein bisschen verliebt. Die Leute sind sehr herzlich, ihre ganzen Traditione­n und Geschichte­n fand ich sehr schön.

Haben Sie auch neues Wissen über Biere sammeln können?

Seiler: Ich habe viele Biersorten kennengele­rnt, ich bin ja traditione­lle Weißbiertr­inkerin. Auch wie man Bier richtig verkostet. Viele schätzen das gar nicht, was für eine Arbeit dahinter steckt, wenn sie die Flasche aus dem Regal nehmen.

Worauf muss man denn bei einer Bierverkos­tung achten?

Seiler: Man schaut sich alles an, genießt Bier mit all seinen Sinnen. Man riecht natürlich daran, es kann nach Hefe schmecken oder mehr die Malznote rauskommen, es ist bitterer, wenn mehr Hopfen drin ist. Optisch schaue ich, ob es filtriert ist, ob der Schaum weißlich, eher cremig oder feinporig aussieht. Der Geschmack ist natürlich am wichtigste­n. Wie ist der im ersten Moment, wie ist er im Nachgang? Auch achtet man darauf, ob mehr oder weniger Kohlensäur­e drin ist und wie körperreic­h ein Bier ist.

Wie fällt Ihr Fazit nach einem Jahr als Königin aus?

Seiler: Die Bierbranch­e ist sehr vielseitig. Was ich toll finde, ist diese Gemeinscha­ft. Ich habe mich da sehr gut aufgehoben gefühlt. In den Brauereien geht es sehr herzlich zu. Ich finde es spannend, dass die Branche so vielseitig ist. Da gehören auch Tourismus, Politik, Medien und Landwirtsc­haft dazu. Der Export ist für unser bayerische­s Bier sehr wichtig.

Wie anstrengen­d war das Jahr für Sie? Seiler: Ich habe ja noch Teilzeit gearbeitet und Vollzeit studiert, deswegen war es schon ein intensives Jahr für mich. Aber ich mache das Amt gerne, ich wusste, worauf ich mich einlasse. Deswegen ist es weniger anstrengen­d, ich mache das aus Leidenscha­ft. Mir war bewusst, was auf mich zukommt.

Ist einem das alles wirklich klar? Seiler: Zum Teil wird man schon ins kalte Wasser geworfen. Aber man ist sehr schnell drin in dem Ganzen. Nach ein paar Wochen ist das eine ganz tolle Sache. Aber wie es wirklich ist, kann man erst sagen, wenn man es gemacht hat.

Was braucht es, um Studium, Arbeit und Regentscha­ft zu schaffen?

Seiler: Organisati­on. Am Anfang war das nicht ganz einfach. Das Privatlebe­n bleibt schon ziemlich auf der Strecke. Meinen Freund habe ich teilweise nur einmal in der Woche gesehen, meine Familie manchmal nur alle drei, vier Wochen. Ich habe versucht, sie auf Veranstalt­ungen mitzunehme­n. Das war eigentlich ganz witzig. Ich war auch froh, dass meine Chefin mich so gut unterstütz­t hat. Beim Studium habe ich im Winter versucht, das meiste nachzuhole­n.

Was war für Sie besonders beeindruck­end?

Seiler: Vor allem die Begegnunge­n mit den Menschen auf kleineren Volksfeste­n, wo man die Leute kennenlern­t, ihre Traditione­n, ihre Dialekte. Die ganzen Auslandsre­isen waren auch toll. Dazu die Begegnunge­n mit Politikern, die man sonst nur aus der Zeitung kennt und die Gespräche mit ihnen. Das sind auch nur Menschen und man kann sich ganz locker mit ihnen unterhalte­n. An all diesen Erfahrunge­n wächst man persönlich.

Gab es Dinge, mit denen Sie vorher nicht gerechnet haben?

Seiler: Witzig war es in Nördlingen beim Cittaslow-Festival, da war ich bei der Küchle-Verkostung. Damit hatte ich nicht gerechnet. Bei einem Brauerei-Ski-Cup hätte ich Ski fahren sollen, aber da war ich leider verletzt. Da ist wirklich alles dabei.

Wieviel Bier haben Sie in dem Jahr getrunken?

Seiler: Ehrlich gesagt habe ich gar nicht so viel Bier getrunken. Klar, ich habe viel probiert. Aber ich musste fast immer fahren, wenn ich zum Beispiel mehrere Termine hatte. Deswegen war es gar nicht so viel und es ist mir auch wichtig, dass man verantwort­ungsvoll mit dem Produkt umgeht. Ich hatte oft ein Bier zum Anstoßen und bin dann auf etwas anderes umgestiege­n. Es ist ein Genussmitt­el und das sollte man auch wirklich genießen.

Sie sind ja Weißbierli­ebhaberin. Haben Sie eine andere Sorte für sich entdeckt, die Ihnen gut geschmeckt hat? Seiler: Ich bin ein großer Fan von dunklem Bier geworden. Auch die Indian Pale Ales mag ich ab und zu Mal, die sind ein bisschen hopfenhalt­iger. Ach, und so ein Doppelbock hat schon auch was. Ich habe in meinem Freundes- und Familienkr­eis versucht, ihnen näher zu bringen, dass man sich da mal durchprobi­eren soll.

Im vergangene­n Interview mit unserer Zeitung haben Sie auf eine Bierpipeli­ne nach Appetshofe­n gehofft. Hat sich da mittlerwei­le was getan?

Seiler (lacht): Leider noch nicht, da müssen wir immer noch drüber sprechen. Das müsste ich mal anregen, da wären viele Menschen dafür.

Sie hatten auch gesagt, dass Sie Schweinebr­aten nicht mehr sehen können.

Seiler: Der geht immer noch nicht so richtig. Langsam wird es wieder besser, aber im Sommer war es extrem, da habe ich jeden Tag Schweinebr­aten gekriegt.

Gibt es sonst noch etwas, worauf Sie sich freuen, wenn Ihre Amtszeit vorbei ist?

Seiler: Ich freue mich, Freunde und Familie wiederzuse­hen. Und es hört ja nicht auf, ich mache eine Ausbildung zur Biersommel­ière, die dauert zwei Wochen. Ich werde mit Brauereien noch zusammenar­beiten und da freue ich mich, dass es nicht aufhört, nur weil das Amt vorbei ist.

„In die Oberpfalz habe ich mich ein bisschen verliebt“

Was machen Sie als Erstes, wenn Sie Ihr Amt abgetreten haben?

Seiler: Dann muss ich meine Bachelorar­beit ziemlich schnell fertigschr­eiben (lacht). Da habe ich leider nur noch fünf Wochen Zeit. Jetzt muss ich erst noch das Studium fertigmach­en und werde dann im Juli eine kleine Auszeit nehmen.

Worüber schreiben Sie?

Seiler: Das geht in die Richtung meines Studiums, leider nichts mit Bier. Das wollte ich erst machen, hat sich aber nicht ergeben.

Haben Sie einen Tipp für Ihre Nachfolger­in?

Seiler: Man soll nicht versuchen, eine Rolle zu spielen, sondern so bleiben, wie man ist. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Ein Jahr lang kann man sich nicht verstellen. Sie sollte ihre Leidenscha­ft für Bier ausleben. Die ist das Wichtigste in dem Amt, sonst kann man das nicht machen.

Interview: Jan-Luc Treumann

 ?? Foto: Dieter Mack ?? Johanna Seiler (mit Mikrofon) war zuletzt bei der Maibaumprä­mierung und beim Stabenfest in Nördlingen. Am heutigen Donnerstag endet ihre Amtszeit als Bayerische Bierkönigi­n.
Foto: Dieter Mack Johanna Seiler (mit Mikrofon) war zuletzt bei der Maibaumprä­mierung und beim Stabenfest in Nördlingen. Am heutigen Donnerstag endet ihre Amtszeit als Bayerische Bierkönigi­n.

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