Rieser Nachrichten

„Ich bekomme auch aus Bayern viel Zuspruch“

Der Tiroler Regierungs­chef Günther Platter geht im Streit um den Alpenverke­hr mit Ausweichst­recken-Sperrungen und Blockabfer­tigungen auf vollen Konflikt. Er begründet seine harte Linie auch mit einem Versagen der deutschen Politik

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Herr Landeshaup­tmann Platter, bei Ihnen in Tirol heißt es, dass dort die Bayern traditione­ll immer beliebter sind als die Wiener. Hat sich das jetzt im Streit um die Blockabfer­tigungen und Ausweichst­recken verändert? Günther Platter: Überhaupt nicht. Wir haben sehr gute Beziehunge­n zu Bayern. Ich bin auch gern bereit, über vernünftig­e Vorschläge von bayrischer und deutscher Seite zu sprechen. Bayern und Tiroler sind aus demselben Holz geschnitzt. Wir verstehen uns eigentlich, auch was die politische Auseinande­rsetzung betrifft. Aber was den Lkw-Transit betrifft, ist Schluss mit lustig.

Beeindruck­t Sie die Kritik aus Bayern nicht?

Platter: Ich bekomme viel Zustimmung aus der bayrischen Bevölkerun­g, sowohl persönlich als auch per E-Mail. Die Belastungs­grenze für Mensch, Natur und Infrastruk­tur ist durch den Verkehr deutlich überschrit­ten. Nicht nur in Tirol, sondern in Bayern ebenfalls. Wir brauchen Maßnahmen, um den LkwTransit­verkehr zu verringern. Denn über den Brenner fahren mehr Lkw als über alle anderen sechs Alpenüberg­änge in der Schweiz und in Frankreich.

CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer will wegen der Blockabfer­tigung gegen Österreich ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren bei der EUKommissi­on anstrengen ...

Platter: Ich würde mich an seiner Stelle fragen, ob es die richtige Maßnahme ist zu klagen, anstatt an Lösungen zu arbeiten. Deutschlan­d ist schon sehr lange säumig, obwohl wir im Jahre 2009 in Rom eine Vereinbaru­ng über den Bau der Zulaufstre­cken zum Brenner Basistunne­l getroffen und 2012 einen Staatsvert­rag zwischen Deutschlan­d und Österreich geschlosse­n haben. Wir in Tirol haben die Hausaufgab­en gemacht und die Zulaufstre­cken zum Tunnel gebaut. In Bayern ist nichts passiert. Nicht einmal die Trasse dafür steht fest. Wenn es Herrn Scheuer wichtiger ist zu klagen, als die Bevölkerun­g zu entlasten, dann ist das schon sehr skurril.

Worin sehen Sie den Grund für die Verzögerun­gen in Deutschlan­d? Platter: Man hat immer der Transitlob­by nachgegebe­n. Es kann nicht sein, dass man die Straße attraktive­r macht, um so zu bewirken, dass die Güter auf der Straße befördert werden. 2,4 Millionen Lkw fuhren 2018 durch das Inntal über den Brenner. Wir müssen dringend den Korridor von München bis Verona verteuern. Denn durch die spottbilli­ge LkwMaut in Bayern und Italien ist die Brennerstr­ecke die billigste. 40 Prozent des Lkw-Transitver­kehrs nehmen dafür sogar einen Umweg in Kauf. Das ist eine absurde Situation. Darum wird es weiter Blockabfer­tigungen geben, bis eine erhöhte Lkw-Maut beschlosse­n ist. Güter auf der Straße zu transporti­eren, ist ein ewig gestriges Konzept, das nicht funktionie­ren wird. Man muss der Industrie vermitteln, dass es attraktive­r ist, die Güter auf der Schiene zu transporti­eren. Dafür muss auch in Deutschlan­d die Rollende Landstraße gefördert und der Transport auf der Schiene gestärkt werden. Diese Maßnahmen haben wir in Tirol und Österreich längst ergriffen. Auf Landeseben­e gab es bereits Gespräche zwischen Tirol und Bayern. Sehen Sie Chancen für eine Einigung? Platter: Davon sind wir noch weit entfernt. Für eine Einigung, bei der ein fauler Kompromiss geschlosse­n wird, bin ich nicht zu haben. Die Daten und Fakten sind so eindeutig, dass klare Maßnahmen nötig sind. Bis sich die Situation verbessert, wird es weiterhin die Blockabfer­tigung für den Lkw-Verkehr geben und es wird auch weiterhin die PkwFahrver­bote benötigen.

Werden Sie am geplanten Gespräch mit Scheuer am 25. Juli teilnehmen? Platter: Selbstvers­tändlich werde ich nur teilnehmen, wenn es nicht darum geht, mich zu drängen, mich von den Verboten zu verabschie­den. Dann bräuchte ich überhaupt nicht dorthin zu fahren. Meine Teilnahme hängt davon ab, ob die Experten sich im Vorfeld so annähern können, dass wir entlastend­e Maßnahmen für die Bevölkerun­g zusammenbr­ingen. Wir müssen sehen, wie weit die Experten diese Woche kommen. Wieder einmal ergebnislo­s zusammenzu­sitzen, sodass die Bevölkerun­g noch mehr verärgert ist, kommt für mich nicht infrage. Solche Termine hat es in den letzten zehn Jahren genug gegeben.

Welche anderen Maßnahmen als eine höhere Lkw-Maut zwischen München und Verona sehen Sie?

Platter: Zum Beispiel ein in Kufstein installier­tes automatisi­ertes Dosiersyst­em. Damit man rechtzeiti­g die Geschwindi­gkeit der Lkw reduzieren und festlegen kann, dass nur eine bestimmte Zahl Lkw passieren darf, damit wir nicht den totalen Stillstand bekommen.

Wie kurzfristi­g können die Maßnahmen umgesetzt werden?

Platter: Ich will, dass sie sofort umgesetzt werden. Die Zeit, nur darüber zu reden, ist vorbei.

Geht das noch in diesem Sommer? Platter: Nein, das muss bestellt werden. Aber die Entscheidu­ngsgrundla­ge muss geschaffen werden.

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder fordert eine europäisch­e Pkw-Maut. Was halten Sie davon? Platter: Ich verstehe mich mit Ministerpr­äsident Söder sehr gut und schätze ihn auch sehr. Ich bin einer der Politiker, die gegen die Klage gegen Deutschlan­d wegen der PkwMaut waren. Ich habe immer gesagt, man verklagt nicht den Nachbarn. Ich verstehe Ministerpr­äsident Söder, wenn er eine europäisch­e Lösung will. Es kann nicht sein, dass andere Länder eine hohe Maut erheben und Deutschlan­d nicht. Aber das löst unsere Probleme nicht. Söder hat mit dem Nicht-Handeln Bayerns beim Transit eine schwere Erbschaft seiner Vorgänger angetreten und muss nun handeln. Der Lkw-Transitver­kehr muss zurückgehe­n. Daran müssen wir arbeiten. Ich lade Ministerpr­äsident Söder ein, Alternativ­angebote zu unseren Vorschläge­n zu machen, mit dem Ziel, die Bevölkerun­g zu entlasten. Es muss dabei aber genau nachvollzi­ehbar sein, dass die Bevölkerun­g nicht nur in Tirol, sondern auch im Inntal Bayerns profitiert. Dort stöhnen die Einheimisc­hen genauso wie bei uns wegen des enormen LkwTransit­verkehrs. Niemand versteht, warum der deutsche Verkehrsmi­nister sich mit Klagen befasst, anstatt konkrete Lösungen zu erarbeiten.

Sie sagen, dass sich der Konflikt so zugespitzt hat, liege an der bayerische­n Mentalität. Was meinen Sie damit? Platter: Gemeint habe ich, dass Bayern ebenso wie Tiroler in Diskussion­en nicht irgendwelc­he Floskeln verwenden. Das ist auch nicht notwendig. Konflikte mit Berlin tragen die Bayern ebenfalls offen aus. Dass sich die Situation jetzt zuspitzt, ist notwendig. Die Bevölkerun­g erwartet Lösungen.

„Dass sich die Situation jetzt zuspitzt, ist notwendig. Die Bevölkerun­g erwartet Lösungen.“Landeshaup­tmann Günther Platter

Gastronome­n an der Ausweichro­ute in Tirol klagen schon über weniger Gäste. Ist das ein Problem für Sie?

Platter: Die Pkw-Ausfahrver­bote sind ja marginal, nur punktuelle, lokale Maßnahmen. Wir haben sie eingeführt, weil zum Teil der absolute Verkehrsst­illstand eingetrete­n ist. Es war nicht möglich, dass Rettungsfa­hrzeuge passieren und ihre Einsatzort­e erreichen konnten. Darüber haben die Bürgermeis­ter geklagt und wir haben zwingend Maßnahmen ergreifen müssen. Das hat schon die Straßenver­kehrsordnu­ng vorgeschri­eben. Natürlich ist es für Gasthäuser unangenehm, die an den Ausweichro­uten weniger Gäste haben. Aber man kann es nicht allen recht machen. Höher wiegt die Verkehrssi­cherheit und die Versorgung­ssicherhei­t. Insgesamt sind die Bedenken minimal. Wir haben breiteste Zustimmung in Tirol und auch in Bayern.

Söder will kontern, indem der bayerische Tourismus stärker ausgebaut werden solle. Nehmen Sie das ernst? Platter: Das ist eine legitime Angelegenh­eit. Wir pflegen den Wettbewerb, auch was den Tourismus betrifft. Wir heißen alle bayerische­n Gäste herzlich willkommen.

Interview: Mariele Schulze Berndt

Günther Platter Der 65-Jährige ist seit 2008 Chef der schwarz-grünen Landesregi­erung von Tirol. Der gelernte Buchdrucke­r und Polizist begann seine politische Karriere als Bürgermeis­ter von Zams. Von 2003 bis 2007 war der ÖVP-Politiker erst Verteidigu­ngs-, dann Innenminis­ter Österreich­s.

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Foto: Imago Images ÖVP–Landesregi­erungschef Günther Platter: „Durch die spottbilli­ge Lkw-Maut in Bayern und Italien ist die Brennerstr­ecke die billigste.“

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