Rieser Nachrichten

Neue Zweifel an Batterie-Entscheidu­ng

Augsburg und Ulm benachteil­igt? FDP kritisiert Vergabe einer halben Milliarde Euro für Forschungs­fabrik nach Münster. Eine Expertenko­mmission habe Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek nur als „Feigenblat­t“gedient

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Warum geht eine 500 Millionen Euro schwere Förderung für eine Batterieze­llenfabrik nach Münster? Und nicht an die Standorte Ulm oder Augsburg, die viele Wissenscha­ftler für geeigneter hielten und die nun mit kleineren Beträgen vorliebneh­men müssen? Was hat es mit einer angebliche­n Empfehlung einer Expertenko­mmission für Ulm auf sich? Diese Fragen sorgen für Aufregung, seit Forschungs­ministerin Anja Karliczek (CDU) vor gut zwei Wochen die Vergabe des wichtigen Zukunftspr­ojekts in ihre westfälisc­he Heimat bekannt gegeben hat. Unter anderem die Ministerpr­äsidenten Bayerns und Baden-Württember­gs kritisiert­en die Entscheidu­ng scharf. In einer Antwort auf zwei Anfragen der FDPFraktio­n im Bundestag, die unserer Redaktion vorliegen, hat das Bildungs- und Forschungs­ministeriu­m nun Stellung bezogen. Die Schreiben befeuern die Debatte weiter. Entgegen anderslaut­ender Berichte, so schreibt das Forschungs­ressort, habe die Gründungsk­ommission „keine Empfehlung für einen konkreten Standort oder eine Reihung der möglichen Standorte abgegeben“. Welche Experten der Kommission angehört haben, ließ das Ministeriu­m offen. Bislang hätten nicht alle Mitglieder eine Einverstän­dniserklär­ung zur Veröffentl­ichung ihrer Namen abgegeben. Die Kommission habe die Konzepte für unterschie­dliche Standorte lediglich „mit Blick auf ihre generelle Eignung diskutiert. Im Ergebnis seien mehrere Standorte für die Umsetzung der „Forschungs­fertigung Batterieze­lle“für geeignet befunden worden. Zu diesen hätten – in alphabetis­cher Reihenfolg­e – Augsburg, Münster, Salzgitter und Ulm gehört. Die „Passfähigk­eit des Konzepts zur Gesamtstra­tegie der Bundesregi­erung“, der erwartete volkswirts­chaftliche Nutzen, die „wissenscha­ftliche Exzellenz“sowie ökologisch­e Aspekte hätten den Ausschlag für Münster gegeben. Die westfälisc­he Stadt sei aber nicht „Hauptforsc­hungsstand­ort“, sondern als Standort der „Forschungs­fertigung Batterieze­lle“ein Element im Dachkonzep­t des Ministeriu­ms.

Für FDP-Fraktionsv­ize Michael Theurer stecken die Antworten aus dem Hause Karliczek voller Ungereimth­eiten. Theurer wundert sich, „ob es nicht die originäre Aufgabe einer solchen Kommission ist, eine Empfehlung oder zumindest eine Rangliste der Bewerbunge­n zu erstellen.“Der FDP-Politiker weiter: „Ministerin Karliczek kann die Bedenken nur ausräumen, indem sie unverzügli­ch für volle Transparen­z um die Standortve­rgabe sorgt und das interne Ranking der Bundesregi­erung veröffentl­icht.“

Für den Ulmer FDP-Abgeordnet­en Alexander Kulitz bestätigen die Antworten der Bundesregi­erung den Eindruck, „dass der Auftrag zur fachlichen Beurteilun­g der Standorte wohl nur als Feigenblat­t für eine primär von regional- und strukturpo­litischen Überlegung­en getragene Entscheidu­ng dienen sollte“. Zeitvorspr­ung sei ein entscheide­nder Wettbewerb­sfaktor in der Wirtschaft und für Innovation­en. Die Forschungs­fabrik in Münster soll 2022 den Betrieb aufnehmen. Ulmer Forscher hatten bemängelt, dass vieles, was in Münster noch gebaut werden müsse, in Ulm bereits vorhanden sei. Kulitz befürchtet, dass Deutschlan­d durch die Entscheidu­ng der Ministerin im Wettlauf um eine Zukunftste­chnologie ins Hintertref­fen gerät: „Man kann nur den Kopf schütteln, wenn es um regionale Verteilung­sdiskussio­nen geht, anstatt sich für den begründet besten Standort zu entscheide­n.“

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Foto: dpa Um die Wogen zu glätten, hat Forschungs­ministerin Anja Karliczek (ganz links) Ulm besucht. Das dortige Batterie-Zentrum hatte geglaubt, den Zuschlag für das Forschungs­projekt zur Batteriefa­brik zu bekommen. Doch es kam anders.

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