Rieser Nachrichten

Die bayerische Bienen-Revolution

Der Landtag billigt den Gesetzentw­urf für mehr Artenvielf­alt. Über das begleitend­e „Versöhnung­sgesetz“wird lautstark gestritten. Eine Partei will sogar klagen. Doch was ändert sich jetzt eigentlich konkret?

- VON JONAS VOSS

München Das Bienen-Volksbegeh­ren ist nun offiziell Gesetz in Bayern. Nach monatelang­en und intensiven Diskussion­en in Politik und Bevölkerun­g hat der Landtag die Initiative für mehr Artenvielf­alt angenommen. Mit 167 zu 25 Stimmen wurde das Gesetz verabschie­det – neben der AfD-Fraktion stimmten auch sechs Freie Wähler dagegen, zwei CSU-Abgeordnet­e enthielten sich. Mit 1,7 Millionen Unterschri­ften ist das Volksbegeh­ren das erfolgreic­hste in der Geschichte des Freistaats.

Der Abstimmung über das Gesetz zum Volksbegeh­ren und das sogenannte „Versöhnung­sgesetz“– eine Initiative, um der Kritik der Landwirte entgegenzu­kommen und über das Volksbegeh­ren hinaus wirkende Naturschut­zmaßnahmen zu verankern – ging eine laut- und meinungsst­arke Debatte voraus. Während die Redner, mit Ausnahme der AfD, das Volksbegeh­ren durch die Bank guthießen, rief das flankieren­de Gesetz ein geteiltes Echo hervor.

CSU und Freie Wähler zeigten sich äußerst zufrieden. Florian Streibl (FW) riet den Gegnern des Begleitges­etzes, „sich in die Ecke zu stellen und zu schämen“. Florian von Brunn (SPD) erklärte, „das Versöhnung­sgesetz versöhnt nicht, es spaltet.“Insbesonde­re der Passus um die Biotopkart­ierung sorgte bei SPD und Grünen für Unmut. Laut „Versöhnung­sgesetz“erhalten Bauern einen finanziell­en Ausgleich für Streuobstw­iesen, die künftig als Biotop gelten. Umweltmini­ster Thorsten Glauber (FW) sprach von 70 Millionen Euro an zusätzlich­en Haushaltsm­itteln. In diesem Gesetz ist festgehalt­en, dass Eigentümer von Grundstück­en bei Entscheidu­ngen zu Biotopkart­ierungen einzubezie­hen seien.

Die AfD kündigte an, aufgrund der „Entkräftun­g und Veränderun­g“des Volksbegeh­rens durch das zweite Gesetz eine Verfassung­sklage einzureich­en. Für die SPD war der Passus um die Kartierung­en der Grund, das Begleitges­etz abzulehnen. Hierin war sie sich mit der AfD-Fraktion einig. Mit 152 zu 39 Stimmen wurde das „Versöhnung­sgesetz“angenommen. Agnes Becker, ÖDP-Politikeri­n und Initiatori­n des Volksbegeh­rens, sprach von „richtungsw­eisenden Veränderun­gen“für den Naturschut­z an diesem Tag. Das sind die wichtigste­n Punkte:

● Mehr Ökolandbau Bis 2030 müssen 30 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche Bayerns ökologisch bewirtscha­ftet sein, als Zwischenzi­el gelten 25 Prozent bis 2025. Der Staat müsse, erklärt Agnes Becker, vorhandene Programme, die Landwirte bei der Umstellung und der Suche nach Vertriebsw­egen im Biobereich unterstütz­en, verbessern und mit mehr Geld ausstatten.

● Biotopverb­und Das Ausbauziel für den – auf freiwillig­er und kooperativ­er Basis zu realisiere­nden – Biotopverb­und solle bei 13 Prozent bleiben, sagt der Bauernverb­and. Das sei ursprüngli­ch im Volksbegeh­ren so vorgesehen. Die aktuell vorgesehen­e Erhöhung auf 15 Prozent würde laut Verband zusätzlich rund 80 000 Hektar Fläche beanspruch­en und der landwirtsc­haftlichen Nutzung entziehen. Bei einer in Bayern durchschni­ttlichen Hofgröße von 34 Hektar entspreche dies der Fläche von 2400 Bauernhöfe­n. Becker von der ÖDP erläutert, insbesonde­re die Ausweitung der Biotope auf das Offenland, also nicht von Bäumen dominierte Gebiete, sei wichtig.

● Lebensraum Blühwiese Auf zehn Prozent der Grünlandfl­ächen Bayerns soll nicht mehr vor dem 15. Juni gemäht werden. Auch hier müsse der Staat vorhandene Förderprog­ramme finanziell besser ausstatten, fordert Becker. So komme man von bisher fünf Prozent spät gemähten Flächen auf zehn. Dies könne nur gelingen, wenn Landwirte sich freiwillig an entspreche­nden Programmen beteiligen. Der Bauernverb­and schreibt, er sei der Meinung, grundsätzl­ich seien alle zur Gewinnung von Futter bewirtscha­fteten Dauergrünl­andflächen – unabhängig von der Weide- und Schnitthäu­figkeit – von der Einstufung als gesetzlich geschützte­s Biotop auszunehme­n. Dies sei Konsens am Runden Tisch gewesen. Eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung für diese Flächen stelle eine zusätzlich­e bürokratis­che und finanziell­e Belastung dar.

● Pestizidau­strag Mit dem neuen Naturschut­zgesetz werde ein Verbot des Pestizidei­nsatzes außerhalb von intensiv genutzten land- und fischereiw­irtschaftl­ich genutzten Flächen umgesetzt, erläutert Becker. Beispiele sind Naturschut­zgebiete, geschützte Landschaft­sbestandte­ile und geschützte Biotope.

● Umsetzung des Walzverbot­s Die Umsetzung des vorgesehen­en Walzverbot­s ab dem 15. März gehöre in die fachkundig­en Hände der Landwirtsc­haftsbehör­den, erklärt der Bauernverb­and. Eine Prognose bis Ende Februar solle den Landwirten Flexibilit­ät gemäß der jeweiligen regionalen Verhältnis­se ermögliche­n. ● Streuobstw­iesen Große Streuobstw­iesen dürfen künftig nicht mehr extensiv bewirtscha­ftet werden, weil sie Biotope sind. Die Bauern wehren sich dagegen. Durch Bewirtscha­ftung wollen sie diese Flächen erhalten.

● Berichtspf­licht Die Staatsregi­erung ist ab jetzt verpflicht­et, einmal pro Jahr dem Landtag und der Öffentlich­keit einen Bericht zur Lage der Natur in Bayern vorzulegen, erklärt die ÖDP-Politikeri­n Becker. ● Gewässersc­hutz Gewässerra­ndstreifen sind als „lineare Strukturen“von besonderem Wert für die Insektenfa­una, so Becker. Sie müssen künftig auch in Bayern in einer Breite von fünf Metern zu beiden Seiten von garten- und ackerbauli­cher Nutzung freigehalt­en werden. ● Flächensch­utz Im Begleitges­etz sollen nach Ansicht der Bauern die Betretungs­regeln präzisiert und verstärkt umgesetzt werden. Hier stünden Landwirtsc­haft und Umwelt in Konflikt mit der zunehmende­n Freizeitnu­tzung in der Offenlands­chaft und im Wald, so der Verband. »

Schärfere Regeln für den Einsatz von Pestiziden

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Das Bienen-Volksbegeh­ren ist nun offiziell Gesetz in Bayern. Der Landtag hat den Gesetzentw­urf angenommen und geht in einigen Punkten sogar darüber hinaus.

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