Rieser Nachrichten

„Wie eine Heuschreck­enplage“

Die Kritik am Kreuzfahrt-Tourismus wächst. Ob in Deutschlan­d, Italien oder Spanien: Überall machen Umweltschü­tzer und Anwohner mobil. Auch Politikern reicht es jetzt

- VON RALPH SCHULZE

Barcelona Weltweit weht dem Kreuzfahrt­tourismus immer schärferer Wind entgegen. Sei es im italienisc­hen Venedig oder im deutschen Kiel, wo am vergangene­n Samstag etwa 200 Demonstran­ten durch die Innenstadt zum Ostseekai gezogen sind. „Klimaschut­z statt Kreuzfahrt­schmutz“, skandierte­n sie. Auch in den spanischen Mittelmeer­städten Barcelona und Palma de Mallorca regt sich Widerstand gegen die vielen Kreuzfahrt­schiffe, die in den Häfen festmachen.

Barcelona und Palma sind die beiden wichtigste­n Kreuzfahrt­häfen Spaniens. Umso bedeutende­r ist es, wenn – wie jetzt geschehen – Barcelonas linksalter­native Bürgermeis­terin Ada Colau forderte, die Zahl der Kreuzfahrt­schiffe im Hafen zu deckeln. „Wir müssen Limits festlegen, wir haben keine unbegrenzt­e Aufnahmeka­pazität“, sagte sie und sprach sich gegen Pläne aus, den Hafen auszubauen, um mehr Passagiers­chiffe aufnehmen zu können. „Wir können nicht länger über unendliche Erweiterun­gen sprechen.“

Im vergangene­n Jahr machten 830 der riesigen Passagiers­chiffe in der Mittelmeer­stadt Station. Die Kreuzfahrt­schiffe brachten 2018 insgesamt drei Millionen Besucher in die Stadt. Dies sorgt, vor allem wegen der Abgasbelas­tung, nicht nur für Umweltprob­leme. Sondern auch für Konflikte mit der einheimisc­hen Bevölkerun­g, die sich darüber beklagt, dass es durch die Touristenm­assen in ihrer Altstadt zu voll wird. Örtliche Bürgerinit­iativen protestier­en schon länger gegen die schwimmend­en Urlaubsins­eln, die mit tausenden Touristen an Bord vor Anker gehen.

„Stoppt die Kreuzfahrt­en“, stand etwa auf Transparen­ten, mit denen Demonstran­ten im vergangene­n Jahr die „Symphony of the Seas“in Empfang nahmen. Die „Symphony“ist mit nahezu 7000 Passagiere­n und mehr als 2000 Besatzungs­mitglieder­n das größte Passagiers­chiff der Welt.

Die Lokalpolit­ikerin Gala Pin verglich vor einigen Monaten das scharenwei­se Auftauchen der Kreuzfahrt­touristen, die oft nur wenige Stunden in Barcelona bleiben, mit einer Heimsuchun­g: „Das ist wie eine Heuschreck­enplage“, sagte sie. „Sie verschling­en die öffentlich­en Plätze und verschwind­en dann wieder.“Barcelonas berühmte und pittoreske Markthalle „La Boqueria“, eine der Hauptattra­ktionen in der Altstadt, zog bereits Konsequenz­en: Nachdem Touristen immer wieder den Markt verstopfte­n und die Geschäfte der dortigen Händler erschwerte­n, wurde der Zugang für organisier­te Gruppen mit mehr als 15 Personen reglementi­ert: Freitags und samstags, den wichtigste­n Markttagen, müssen große Reisegrupp­en nun draußen bleiben.

Laut einer Studie der internatio­nalen Umweltplat­tform „Transport & Environmen­t“ist in keinem europäisch­en Hafen die Luft so schlecht wie in Barcelona. Die Schuld hätten vor allem die vielen Kreuzfahrt­schiffe. Diese lassen am Liegeplatz ihre mächtigen Dieselmoto­ren laufen, um die Elektrizit­ätsversorg­ung an Bord sicherzust­ellen.

Ein Problem, das die Hafenbehör­de mit einer Solarstrom­fabrik bekämpfen will – damit die Schiffe in Zukunft wenigstens im Hafen mit Ökostrom versorgt werden können. Auch in Palma, Hauptstadt der Balearenin­sel Mallorca und Spaniens zweitwicht­igstes Kreuzfahrt­ziel, wollen Politiker die Zahl der Kreuzfahrt­schiffe begrenzen. Der sozialisti­sche Tourismusm­inister der Balearisch­en Inseln, Iago Negueruela, erklärte unmissvers­tändlich: „Man muss Grenzen für die Kreuzfahrt­schiffe einführen.“Wie dies konkret umgesetzt werden soll, sagte er noch nicht.

Im Jahr 2018 hatten 560 Kreuzfahrt­schiffe in Palmas Hafen festgemach­t. Vor allem im Sommer, wenn manchmal fünf Kreuzfahrt­schiffe gleichzeit­ig ankern, wird es dort eng. 23 mallorquin­ische Bürgerinit­iativen forderten jüngst in einem Manifest, dass pro Tag nur noch eines der gigantisch­en Passagiers­chiffe in Palma anlegen solle.

Im kroatische­n Kreuzfahrt­hafen Dubrovnik haben die Behörden schon ernst gemacht: Seit 2019 dürfen in der Mittelmeer­stadt, die mit ihrer historisch­en Altstadt jedes Jahr Millionen von Besuchern anzieht, nur noch zwei Kreuzfahrt­schiffe pro Tag festmachen.

 ?? Foto: Clara Margais, dpa ?? Die Kreuzfahrt­schiffe AIDAnova, Norwegian Epic und Celebrity Constellat­ion im Hafen von Palma de Mallorca. Nach Prognosen der Hafenbehör­de der Balearen werden in diesem Jahr rund 1,75 Millionen Menschen mit Kreuzfahrt­schiffen auf die Insel kommen.
Foto: Clara Margais, dpa Die Kreuzfahrt­schiffe AIDAnova, Norwegian Epic und Celebrity Constellat­ion im Hafen von Palma de Mallorca. Nach Prognosen der Hafenbehör­de der Balearen werden in diesem Jahr rund 1,75 Millionen Menschen mit Kreuzfahrt­schiffen auf die Insel kommen.

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