Wirklichkeit auf der Leinwand
Wenn das bestimmende Kino unserer Zeit das der Superhelden-Fantasy-Filme ist, dann ist vor allem eines Programm: Trotz aller märchenartiger Lehren für Leben und Gesellschaft herrscht hier Unterhaltung in größtmöglicher Wirklichkeitsfremdheit. Aber zugleich hat am anderen Ende in den vergangenen Jahren das glatte Gegenteil immer mehr Konjunktur.
Die Wirklichkeitsnähe nämlich wird als besonderer Kitzel beschworen, wenn inflationär Spielfilme vermarktet werden als „auf einer wahren Begebenheit basierend“und wenn das klassische Genre der Spielfilm-Biografie eine neue Blütezeit erlebt und ausgerechnet mit hübsch drapierten Plastikblüten die größten Erfolge erzielt. Bitte, sortieren Sie selbst: „Bohemian Rhapsody“und „Green Book“, „First Man“und „Rocket Man“, „Dunkirk“und „Borg vs. McEnroe“…
Die größte Huldigung der Wirklichkeit auf der Leinwand aber bringen die vielen Dokumentationen, die von den Spartenkanälen im Fernsehen aus längst das Kino erobert haben. Aktuell sind es historische: Vor drei Wochen startete ja der „Herr der Ringe“-Herr Peter Jackson mit einer Bearbeitung von Erster-Weltkrieg-Material („They Shall Not Grow Old“), vorige Woche war es mit „Apollo 11“das Mondlandungsjubiläum. Im besten Fall wird hier über Zeit und Raum hinweg der Mitmensch hinter der Geschichte erfahrbar, ein wahrhaftiger 4D-Effekt im Zeitalter des Geweses ums künstliche 3D.
Am frappierendsten aber ist der Effekt bei Filmen wie zuletzt „Die Wiese“oder aktuell „Die Erde“. Wenn Filmemacher also dokumentarisch den Mikrokosmos des alltäglichen Lebens fokussieren oder auf den Makrokosmos der globalen Zusammenhänge blenden – die Superheldenkräften und die apokalyptische Fantasy der Blockbuster wirken allzu leicht nur noch wie ein Abklatsch des Wirklichen.