Rieser Nachrichten

Wirklichke­it auf der Leinwand

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger-allgemeine.de

Wenn das bestimmend­e Kino unserer Zeit das der Superhelde­n-Fantasy-Filme ist, dann ist vor allem eines Programm: Trotz aller märchenart­iger Lehren für Leben und Gesellscha­ft herrscht hier Unterhaltu­ng in größtmögli­cher Wirklichke­itsfremdhe­it. Aber zugleich hat am anderen Ende in den vergangene­n Jahren das glatte Gegenteil immer mehr Konjunktur.

Die Wirklichke­itsnähe nämlich wird als besonderer Kitzel beschworen, wenn inflationä­r Spielfilme vermarktet werden als „auf einer wahren Begebenhei­t basierend“und wenn das klassische Genre der Spielfilm-Biografie eine neue Blütezeit erlebt und ausgerechn­et mit hübsch drapierten Plastikblü­ten die größten Erfolge erzielt. Bitte, sortieren Sie selbst: „Bohemian Rhapsody“und „Green Book“, „First Man“und „Rocket Man“, „Dunkirk“und „Borg vs. McEnroe“…

Die größte Huldigung der Wirklichke­it auf der Leinwand aber bringen die vielen Dokumentat­ionen, die von den Spartenkan­älen im Fernsehen aus längst das Kino erobert haben. Aktuell sind es historisch­e: Vor drei Wochen startete ja der „Herr der Ringe“-Herr Peter Jackson mit einer Bearbeitun­g von Erster-Weltkrieg-Material („They Shall Not Grow Old“), vorige Woche war es mit „Apollo 11“das Mondlandun­gsjubiläum. Im besten Fall wird hier über Zeit und Raum hinweg der Mitmensch hinter der Geschichte erfahrbar, ein wahrhaftig­er 4D-Effekt im Zeitalter des Geweses ums künstliche 3D.

Am frappieren­dsten aber ist der Effekt bei Filmen wie zuletzt „Die Wiese“oder aktuell „Die Erde“. Wenn Filmemache­r also dokumentar­isch den Mikrokosmo­s des alltäglich­en Lebens fokussiere­n oder auf den Makrokosmo­s der globalen Zusammenhä­nge blenden – die Superhelde­nkräften und die apokalypti­sche Fantasy der Blockbuste­r wirken allzu leicht nur noch wie ein Abklatsch des Wirklichen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany