Diplom-Nikolaus
In diesen Tagen bekommen viele Kinder Besuch von einem Mann mit rotem Gewand, weißem Bart und Zipfelmütze. Ist das authentisch? Zu Besuch in einem Seminar, das aufklären will
Augsburg Eine schneekalte Nacht. Wie jedes Jahr macht sich der Mann, durchaus kräftig in der Statur, vom Nordpol auf, um die Kinder dieser Welt zu beschenken. Mit Puppen, Playstation und Feuerwehrauto. Die Haare sind weiß, er trägt Zipfelmütze. Hohoho. Und Rentiere ziehen seinen Schlitten.
Das ist die Erzählung vom Weihnachtsmann, wie sie viele Kinder kennen – und die regelmäßig zu Verwirrungen führt. Denn der Weihnachtsmann sei eine erfundene Figur, sagt Julian Heese, der als Theologe für das Bonifatiuswerk, ein Hilfswerk für katholische Christen in der Diaspora, arbeitet. Um den Weihnachtsmann, Santa Claus, soll es an diesem Tag aber nicht gehen. Stattdessen haben sich gut 15 Männer von Marktoberdorf bis Ingolstadt im Haus St. Ulrich in Augsburg zusammengefunden, um einen Heiligen zu studieren, den Heiligen Sankt Nikolaus.
Einer von diesen Männern heißt Peter Steiner. Als Nikolaus auf Freizeitbasis geht er in Lindau am Bodensee schon lange seine Runden. „Ich weiß nicht, ob 20 Jahre reichen.“In diesem Kurs – ein Angebot des Bistums Augsburg – sucht er nun nach Inspiration. Und nach Möglichkeiten, näher an Familien heranzukommen, sie mit seiner Arbeit zu berühren. Das Diplom, das er später überreicht bekommt, ist für ihn eher zweitrangig. „Ich möchte, dass die Leute wissen, wer Nikolaus war“, sagt Peter Steiner.
Genau hier liege das Problem, betont Julian Heese als Referent aus Paderborn: Die Weihnachtsgestalten würden zunehmend vermischt. Während der Weihnachtsmann konstruiert wurde und nicht nur Coca-Cola, sondern den Konsum als solchen verkörpert, sei Nikolaus real gewesen. „Er hat tatsächlich gelebt und steht für Nächstenliebe und Respekt“, sagt Julian Heese. Noch heute gilt der einstige Bischof als Patron von Russland, Kroatien und Süditalien. Er ist Schutzheiliger der Schüler und Studenten, der Reisenden und Müller, Gefangenen und Metzger – wobei Nikolaus der Überlieferung nach Vegetarier gewesen sein soll. „Wir wissen außerdem, dass er ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammt“, erzählt der Theologe weiter. Und dass er als Heiliger Wunder vollbracht hat, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen. Demnach soll Nikolaus zum Beispiel drei Jungfrauen vor der Prostitution gerettet, Korn vermehrt und einen Seesturm gestillt haben. Vieles also, dass den Nikolaus vom Weihnachtsmann abgrenzt. Verteufeln, mahnt Julian Heese, dürfe man den Weihnachtsmann trotzdem nicht. „Für viele ist er eine Lebensrealität.“Und ein lukratives Geschäft obendrein. Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Weihnachtsmännern spezialisiert haben, bieten Bartträger im roten Kostüm inzwischen für 169 Euro an. Einen Weihnachtsmann mit echtem Bart gibt es ab 349 Euro. Das Geschäft boomt.
Und wie viel bekommt ein Heiliger Hobby-Nikolaus wie Wolfgang Obermayer für seine Darbietung? Außer einer Spende für den guten Zweck verdient er nichts. Wie die meisten seiner Kollegen macht der Mann aus Biessenhofen im Ostallgäu den Job gerne – aber ehrenamtlich. Wolfgang Obermayer geht zu Familien, zu Senioren und in Behindertenwerkstätten. „Es gibt mir viel“, sagt er, obwohl es Aufwand für ihn bedeutet. Schließlich müssen die Texte vorbereitet und die Geschichten „würdig vorgetragen“werden. Neben ihm gibt es in seiner Region zwei weitere Nikoläuse. Das sei auch nötig, sagt er. Die Zahl der Kinder wachse. „Wir brauchen Nikolaus-Nachwuchs.“Fachkräftemangel auch hier.
Zumal ein echter Nikolaus gewisse Voraussetzungen erfüllen sollte. Das Bischofsgewand muss stimmen. Mit Stola, Mitra, Zingulum und Stab weicht der echte Nikolaus optisch stark vom Weihnachtsmann mit Zipfelmütze ab. Ein Nikolaus muss außerdem darauf achten, wie er sich Kindern gegenüber verhält. Niemals dürfe er sich als Erziehungshelfer missbrauchen lassen, bekräftigt Julian Heese. Doch soll er von den Legenden erzählen und Kindern Kleinigkeiten überreichen. Um sich zu bedanken, können sie ein Gedicht aufsagen. Danach verabschiedet sich auch der Nikolaus mit einem Gedicht. Walter Sirch aus Marktoberdorf, seit 18 Jahren Nikolaus, handhabt es pädagogisch so: „Ich bin der brave Nikolaus. Ich schimpfe lieber die Eltern.“Habe er Negatives zu sagen, tue er das gleich am Anfang. Zum Schluss müsse man die Kinder loben. „Das ist wichtig.“Dann strahlen die Augen.