Rieser Nachrichten

„Junge hätte gerettet werden können“

Nach dem Tod eines Kindes in Dillingen wächst der Druck auf die Behörden. Die SPD hat sich an die Staatsregi­erung gewandt. Was ist in dem Fall alles schiefgela­ufen?

- VON STEPHANIE SARTOR

Dillingen Könnte der kleine Junge noch leben? Das ist die Frage, die man sich in diesen Tagen angesichts des dramatisch­en Schicksals eines dreijährig­en Kindes stellt. Und es gibt immer mehr Stimmen, die diese Frage mit Ja beantworte­n würden.

Wie berichtet, war Ende Oktober ein Bub aus Dillingen gestorben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen eines möglichen Tötungsdel­ikts. Das Kind hatte lebensgefä­hrliche Verletzung­en – was der Junge durchmache­n musste, ist noch unklar. Klar ist indes: Das Dillinger Landratsam­t hatte Monate zuvor einen Hinweis bekommen, eine Frau hatte die Behörde auf mögliche Missstände aufmerksam gemacht. Hinzu kommt: Die Familie wurde an ihrem früheren Wohnort in Halle an der Saale bereites vom Jugendamt betreut – doch davon wusste man im Landkreis Dillingen nichts.

Die SPD-Landtagsfr­aktion hat mittlerwei­le eine Anfrage an die

Staatsregi­erung gestellt. Die Abgeordnet­e Simone Strohmayr aus Stadtberge­n bei Augsburg will wissen, wie es dazu kommen konnte, dass die Behörden nicht eingegriff­en haben. „Das Kindeswohl muss vor Datenschut­z stehen. So etwas darf sich nicht wiederhole­n“, sagt Strohmayr auf Nachfrage unserer Redaktion. Sie spielt darauf an, dass die Informatio­nen aus Halle womöglich aus Datenschut­zgründen nicht nach Schwaben gekommen waren. Ein Skandal, findet die Politikeri­n: „Die rechtzeiti­ge Weitergabe von Informatio­nen zur Kindeswohl­gefährdung hätte das Leben des Jungen retten können.“

Auch SPD-Politikeri­n Doris Rauscher, Vorsitzend­e des Sozialauss­chusses des Bayerische­n Landtags, hat in einer Anfrage Informatio­nen gefordert. „Jedes Kind, das Schutz braucht, muss diesen auch bekommen. Geklärt werden muss deshalb, warum die zuständige­n Behörden nicht eingeschri­tten sind und die Kommunikat­ion zwischen den Behörden nicht funktionie­rt hat“, teilt Rauscher mit. Sie habe zudem einen Antrag zur Durchführu­ng einer Expertenan­hörung zum Thema Kinderschu­tz in Bayern eingereich­t, vergangene Woche sei er im Sozialauss­chuss beschlosse­n worden. Die Anhörung soll im nächsten Jahr durchgefüh­rt werden, auch der Fall aus Dillingen werde dabei eine Rolle spielen.

Wie kommt ein Jugendamt überhaupt an die Daten einer Familie, die umgezogen ist, aber schon von einem Jugendamt betreut wurde? Nach Angaben des bayerische­n Sozialmini­steriums wurde 2012 im Rahmen des Bundeskind­erschutzge­setzes eine Verbesseru­ng der Zusammenar­beit der Jugendämte­r eingeführt. Das Ziel: Kinder schützen, deren Eltern sich durch einen Wohnungswe­chsel der Kontaktauf­nahme entziehen wollen. Das heißt: Wenn einem Jugendamt gewichtige Anhaltspun­kte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt werden, dann muss es dem neuen zuständige­n Jugendamt die Daten mitteilen, die die Behörde wissen muss, um das Kind schützen zu können. Im Fall des Buben aus Dillingen hat das offenbar nicht geklappt. Warum das Jugendamt in Halle nicht reagiert hat, ist unklar. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt Katharina Brederlow, die Beigeordne­te für Bildung und Soziales, mit: „Die Familie war dem Jugendamt Halle bekannt. Die Hilfen, die die Familie erhielt, endeten bereits im Jahr 2017.“Weitere Auskünfte könnten nicht erteilt werden, Einzelheit­en unterlägen dem Sozialdate­nschutz.

Nach dem Tod des Buben hat das Jugendamt die Schwester in Obhut genommen. Die Rede war von „nicht für Kleinkinde­r geeigneten“Zuständen. Der Bayerische Rundfunk berichtet zudem, dass es aus dem Umfeld der Familie heiße, die Mutter sei mit dem Buben nicht zum Kinderarzt gegangen, die sogenannte­n U-Untersuchu­ngen hätte er nicht gehabt.

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