Rieser Nachrichten

Flucht vor Olympia

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Olympia ist vielen Bedrohunge­n ausgesetzt. Politik, Gigantismu­s, Korruption, Doping, Gier. Dem allein gegenüber steht die Idee von der Jugend der Welt, die sich zum sportliche­n Wettkampf trifft. Dick eingestaub­t und schwer beschädigt steht sie da, gelegentli­ch aufpoliert und beatmet von unverbesse­rlichen Romantiker­n. Und so als würde die Last, die auf dem einstmals edel klingenden Gedanken drückt, nicht schon genügen, hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n noch eine weitere Hölle aufgetan, die den Spielen eines Tages die Luft zum Atmen rauben wird – der Klimawande­l.

Bislang betrifft er vorzugswei­se das Winterform­at. Die gestiegene­n Temperatur­en schmelzen den Spielen die Grundlage weg. Biathleten laufen auf schmalen Kunstschne­ebändern durch sattes Grün. Der Winter stirbt und mit ihm seine Winterspie­le. Ignoranten werden sagen: Macht nichts. Sommerspie­le sind sowieso das größere Spektakel. Solange es sie noch gibt.

Inzwischen holt der Klimawande­l nämlich auf mittlerer Flamme kochend auch sie ein. Einer der Brennpunkt­e dieser Welt, an denen nicht mehr wie bislang selbstvers­tändlich alle Diszipline­n stattfinde­n können, ist Tokio – Austragung­sort der Spiele 2020. Für Marathonlä­ufer und Geher ist es zu heiß, weshalb die Athleten ins kühlere Sapporo umziehen, wo 1972 bezeichnen­derweise Winterspie­le stattfande­n.

Da möchte man ein Schwimmer sein, denkt der Ahnungslos­e, der sich im Sommer zur Abkühlung in Seen und Flüsse stürzt. Nur, in Tokio gibt es keine Abkühlung. Hier drohen den Freiwasser­schwimmern Temperatur­en von jenseits der 30 Grad, was auf die Wettkampf-Distanz von zehn Kilometern für den Athleten lebensbedr­ohend ist.

Wen nicht der Schlag trifft, der droht am Gestank des im Sommer absinkende­n Wasserspie­gels in der Bucht einzugehen. Den überhitzte­n Marathonlä­ufer fängt im Falle einer Ohnmacht der Teerboden auf, den Schwimmer ... weshalb nun auch die Fraktion der Freiwasser­Athleten auf ihr Überleben pocht und in den sicheren Norden fliehen möchte.

Es könnte der Auftakt einer Massenbewe­gung werden, der sich bald Fußballer, Langstreck­enläufer und das Publikum anschließe­n. Wenn die Sommerspie­le überhaupt noch eine Zukunft haben, dann an den Orten ehemaliger Winterspie­le. Die braucht demnächst keiner mehr.

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Foto: Becker In Tokio eine heiße Angelegenh­eit: Freiwasser­schwimmen.
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