Rieser Nachrichten

Entspannt im Krisengebi­et

Wie das Coronaviru­s die Menschen in Bayern und der Ferne bewegt Unter den rund 90 Deutschen, die aus dem chinesisch­en Wuhan ausgefloge­n werden, ist auch eine Familie aus Würzburg. Wie sie die Stunden vor der Abreise erlebte

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Würzburg Während sich die halbe Welt wegen des Coronaviru­s verrückt macht, ist Thomas Scheller ganz ruhig. Dabei hätte der Würzburger viel mehr Grund als andere, sich Sorgen zu machen: Der 45-Jährige sitzt am Freitag mit Frau Chloe und der dreijährig­en Tochter in einer Flughafenh­alle im Quarantäne­gebiet um die chinesisch­e Millionens­tadt Wuhan. Die Halle füllt sich allmählich mit Deutschen. „Wir warten gerade auf die Leute vom Konsulat, die müssen jeden Moment eintreffen“, schreibt er am Morgen zunächst über den Facebook-Messenger.

Die Wartenden haben vom deutschen Konsulat erfahren, dass man sie ausfliegen will. Davor stehen aber ein Wust von Bürokratie, Registrier­ung, ein medizinisc­her Check – und Warten, Warten, Warten. „Uns geht es soweit gut, keiner von uns drei zeigt irgendwelc­he Symptome einer Infektion“, beruhigt er auf Nachfrage. Das hat er auch seinen Eltern in Würzburg mitgeteilt – eine gute Nachricht inmitten der bedrohlich­en Situation.

Scheller wirkt später auch am Telefon nicht aufgeregt, sondern bewahrt einen kühlen Kopf. Er sucht ganz ruhig und gezielt nach Informatio­nen, die ihm und seiner Familie helfen, so schnell wie möglich abgefertig­t zu werden, damit sie mit der deutschen Regierungs­maschine am Abend ausfliegen können. Abend wird es in Wuhan, wenn es in Würzburg Nachmittag ist. Denn in diesem Teil Chinas ist die Zeit acht Stunden voraus.

Am Nachmittag chinesisch­er Zeit sucht Scheller gerade im Flughafeng­ebäude eine Schlafmögl­ichkeit für seine kleine Tochter, „aber dafür stehen die Chancen nicht besonders gut“.

Der Regierungs­flieger, der sie am Abend gegen 21.30 Uhr Ortszeit abholen sollte, hat da bereits zehn Stunden Verspätung. „Aber seit zwei Stunden ist er auf dem Weg zu uns“, hätten die Betreuer ihm und den anderen Deutschen auf dem eigentlich geschlosse­nen Flughafen von Wuhan versichert. „Als Grund hat man uns genannt, dass die Maschine von den chinesisch­en Behörden zunächst keine Erlaubnis bekam, von hier wieder zu starten.“Das habe der Würzburger von Mitarbeite­rn des deutschen Konsulats gehört, die ihre Landsleute am Flugplatz betreuen. „Die machen hier übrigens einen guten Job.“

Der Luftwaffen-Airbus „Kurt Schumacher“soll die rund 100

aus dem Infektions­gebiet herausbrin­gen. An Bord ist ein sechsköpfi­ges Ärzte- und Konsularte­am. Der A320 wird außerdem Medizin und 10000 Schutzanzü­ge für das chinesisch­e Rote Kreuz mitbringen. Mit zurück nach Deutschlan­d fliegen dürfen später aber nur Gesunde – wer den Virus hat, muss dableiben.

Scheller arbeitet bei einem Software-Entwickler im mittelfrän­kischen Herzogenau­rach, soll in Chicago eine Niederlass­ung aufbauen – und wollte mit Frau und Tochter deren Heimat in China besuchen. Dort hat der Ausbruch des Coronaviru­s die Familie überrascht – „seit Sonntag waren alle Flüge gestrichen“. Die Schellers saßen in Wuhan fest. Frau und Tochter sind USBürger. Doch während man vom US-Konsulat gar nichts erfahren habe, habe es vom deutschen Konsulat schnell Hinweise und Hilfe gegeben.

Als Thomas Scheller mit Frau und Kind früh am Morgen am Flughafen ankam, „war alles noch gähnend leer“, erinnert er sich. Drei Stunden später sei die Halle voller Deutscher gewesen. Drei Mitarbeite­r des Konsulats versuchten, die Evakuierun­g in geordnete Bahnen zu lenken.

Nun warten sie alle auf die Ankunft der deutschen Maschine. „Das kann chaotisch werden, zum Flieger zu kommen“, sagt Scheller am Telefon. Keiner der Check-inSchalter sei besetzt, die Leute würden bei Sammelstel­len in der Halle zusammenge­rufen. Beim Team des Konsulats habe man Dokumente für das weitere Vorgehen ausgefüllt.

Nach der Ankunft in Deutschlan­d sollen die China-Rückkehrer zunächst in einer Frankfurte­r Sporthalle, die zum Medizinzen­trum umgewandel­t wurde, untergebra­cht werden. Dort werden sie unterteilt in eine rote, gelbe und grüne GrupDeutsc­hen pe. In die rote Gruppe kommen Reisende, bei denen nach dem Flug doch die Infektion festgestel­lt wird, sie kommen in die Uniklinik. In die gelbe Gruppe kommen Personen, die mit den Infizierte­n in Kontakt standen. In die grüne Gruppe werden Fluggäste eingeteilt, die keinen Kontakt hatten. Personen aus der gelben und grünen Gruppe werden anschließe­nd für 14 Tage zur Quarantäne auf dem Luftwaffen­stützpunkt Germershei­m (RheinlandP­falz) untergebra­cht.

In Germershei­m sind nach Angaben des Roten Kreuzes 23 freiwillig­e Helfer aus ganz Rheinland-Pfalz vor Ort. Die Betreuung könne jederzeit hochgefahr­en werden, wenn es die medizinisc­he Situation erfordert.

Thomas Scheller hofft indes am Flughafen in Wuhan, dass alles nach Plan läuft. Er werde sich wieder melden, wenn die Familie heil in Deutschlan­d angekommen ist, verspricht er.

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Foto: Scheller Thomas Scheller saß mit seiner Familie am Freitag stundenlan­g auf dem Flughafen in Wuhan fest und wartete auf die Ausreise mit einem Flugzeug der Bundesregi­erung.

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