Erdgas ist auf dem Vormarsch
Bei der Stromerzeugung in Deutschland verliert die Kohle zusehends an Boden. Wind ist zweitwichtigster Energieträger
Augsburg Im vergangenen Jahr ist in Deutschland so viel Strom aus Erdgas gewonnen worden wie noch nie: Nach vorläufigen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) waren es rund 91 Milliarden Kilowattstunden. Damit liegt das Erdgas auf Platz drei der Liste der wichtigsten Energieträger für die Stromproduktion. Insgesamt ging die Stromproduktion im Vergleich zum Jahr 2018 leicht zurück, von 635,7 auf 607 Milliarden Kilowattstunden. Stark zurückgegangen ist dagegen die Bedeutung von Steinkohle (von 82,6 auf 56,9 Mrd. KWh) und Braunkohle (von 145,6 auf 114 Mrd. KWh). Letztere ist aber weiterhin der wichtigste Energieträger für die Stromproduktion. Auf Platz zwei liegt die Windkraft an Land.
Uwe Maaßen von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) erklärt den Aufschwung des Erdgases vor allem mit zwei Faktoren: Zum einen sind die CO2-Zertifikate, also die Verschmutzungsrechte, die sich Unternehmen kaufen müssen, deutlich teurer geworden. Für jede Tonne Treibhausgas, die sie ausstoßen, müssen Kraftwerksbetreiber ein Zertifikat abgeben. Lag der Preis für die Zertifikate, die frei gehandelt werden, noch vor gut zwei Jahren zwischen sieben und acht Euro pro Tonne CO2, kosten sie aktuell rund 25 Euro pro Tonne. Weil Gaskraftwerke sauberer sind als Kohlekraftwerke, steigert das ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Aber noch ein weiterer Faktor wirkte sich günstig auf den Verbrauch von Erdgas aus: Es ist schlicht billiger geworden. Maaßen erklärt das mit einer schwächelnden Konjunktur in Südostasien. Das habe die Nachfrage gedrückt und viele Schiffe mit LNG, verflüssigtem Erdgas, sind deswegen nicht nach
Asien, sondern nach Europa gefahren. Aufgrund der vielen Unsicherheiten, die aktuell die Weltwirtschaft belasten, sei nach wie vor kein Anziehen der Spotmarktpreise für Erdgas zu beobachten. Ähnlich verhalte es sich mit den Rohölpreisen.
Für den starken Rückgang der Stromproduktion aus Braunkohle sind laut Maaßen mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen sind mehr Anlagen in Sicherheitsbereitschaft gegangen. Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung beschlossen, zusätzlich zu den sonstigen Reserven im Stromnetz acht Braunkohlekraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt schrittweise in eine Sicherheitsbereitschaft zu überführen. Die beiden letzten dafür vorgesehenen Blöcke sind zum 1. Oktober stillgelegt worden. Nach jeweils vier Jahren in Sicherheitsbereitschaft sollen die Kraftwerke alle endgültig stillgelegt werden. Die Maßnahme kostet 1,61 Milliarden Euro, die auf die Netzentgelte umgelegt und am Ende auf den Strompreis aufgeschlagen werden.
Zudem habe es, so Maaßen, im Jahr 2019 mehr Revisionen von Braunkohlekraftwerken gegeben und durch den Stopp der Rodung des Hambacher Forsts sei weniger Kohle gefördert worden.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag im Jahr 2019 bei 40,2 Prozent. Das bedeutet, dass nach dem Atomausstieg zum Jahr 2023 und dem ebenfalls beschlossenen Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038 noch eine erhebliche Lücke in der Stromerzeugung klafft.
Bei den erneuerbaren Energien hat vor allem die Windenergie an Land stark zugelegt. Dies lag zum Teil an neuen Anlagen, die ans Netz gegangen sind, vor allem aber daran, dass das Jahr 2019 sehr windreich war und die Anlagen viel Energie produzieren konnten. Von 90,9 auf 103,7 Milliarden Kilowattstunden stieg ihr Beitrag. Windanlagen auf See produzierten ebenfalls mehr Strom, ihr Anteil stieg von 19,5 auf 24,3 Mrd. Kilowattstunden. Um das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der Stromerzeugung bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen, zu erreichen, ist nach Berechnungen des BDEW ein jährlicher Zubau an Windkraftleistung von 3,7 Gigawatt pro Jahr nötig.
Am 31. Dezember 2019 wurde das Kernkraftwerk Philippsburg 2 heruntergefahren. Damit sind in Deutschland nun noch sechs Kernkraftwerke in Betrieb, die Ende 2021 und 2022 ebenfalls abgeschaltet werden sollen.
Der Anteil der Erneuerbaren lag bei rund 40 Prozent