Auch Gangster haben Persönlichkeit
Wenn ein Reporter wühlt, kommt ein Geschäftsmann ins Schwitzen. Gerät noch eine Kampfsportgang ins Spiel, sind die Fäden kaum zu entwirren. Dem britischen Regisseur Guy Ritchie gelang eine amüsante Komödie
Mit der Low-Budget-Gangsterkomödie „Bube, Dame, König, Gras“um mehrere rivalisierende Gaunerkollektive und einen Keller voller Marihuana-Pflanzen katapultierte sich der britische Regisseur Guy Ritchie 1999 in die internationalen Kinocharts. Wenig später landete er mit Madonna vor dem Traualtar und hinter der Kamera von einigen Hollywood-Produktionen. Glücklich wurde er mit beidem nicht.
Die zwei „Sherlock Holmes“Modernisierungen (2009/2011) verloren sich im Rausch der digitalen Gestaltungsmöglichkeiten, „King Arthur“(2017) floppte an den USKinokassen auf epische Weise, während in der Disney-Auftragsproduktion „Aladdin“(2019) kaum noch etwas von Ritchies künstlerischem Profil zu erkennen war. Mit seinem neuen Film „The Gentlemen“kehrt der 51-jährige Regisseur nun wieder zurück zu seinen
Wie in seinem Kinodebüt geht es hier um verschiedene Gangsterpersönlichkeiten, deren konkurrierendes Fehlverhalten einen verschlungenen Plot in Gang setzt.
Als Erzähler fungiert der Boulevard-Journalist Fletcher (Hugh Grant), der das Ergebnis seiner umfangreichen Recherchen nicht an eine Zeitung verkaufen, sondern für eine Erpressung des kriminellen Geschäftsmannes Mickey Pearson (Matthew McConaughey) und dessen rechter Hand Ray (Charlie Hunnam) gewinnbringend nutzen will. Als Oxford-Student ist Pearson einst aus den USA ins Vereinigte Königreich gekommen, wo er sich vom Gelegenheitsdealer zum Besitzer eines landesweiten Marihuana-Imperiums hocharbeitete. Dafür hat er eine Allianz mit dem verarmten englischen Landadel geschlossen, auf deren verschuldeten Besitztümern seine unterirdischen Cannabis-Plantagen betrieben werden. Nun will der Drogenbaron das florierende Geschäft verkaufen und den gewonnenen Reichtum an der Seite seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery) genießen.
Aber die Verkaufsverhandlungen mit dem geschmeidigen Geschäftsmann Matthew (Jeremy Strong) geraten ins Stocken, als der ambitionierte, chinesische Heroin-Großhändler „Dry Eye“(Henry Golding) sich in den Deal zu drängen versucht. Für weitere Verwirrung sorgt eine jugendliche Kampfsportgang in bunten Trainingsanzügen, die einen von Pearsons Standorten ausraubt und den gelungenen Coup als Youtube-Video postet. Sie haben keine Ahnung, mit wem sie sich angelegt haben, und ihr gutmütiger Trainer (Colin Farrell) hat alle Hände voll zu tun, um den Schaden wiedergutzumachen.
Mit viel Liebe zum Detail entwirft Ritchie seinen verschlungenen Plot, der über unvollständige RückWurzeln. blenden aus der Sicht eines unzuverlässigen Erzählers langsam Gestalt annimmt. Dabei findet Ritchie sein altes Gespür für herzhaft krude Gangster-Dialoge wieder, die durch Schlagfertigkeit und die hohe Dichte an Kraftausdrücken eine ganz eigene Poesie entwickeln. Gelungen ist die Besetzung des illustren Figuren-Arsenals: Hugh Grant wurde als schmieriger Journalist hinreißend gegen den Strich gecastet, Colin Farrell entwickelt sich als loyaler Box-Trainer, der alles für seine unterprivilegierten Jungs tut, zur moralischen Instanz im Sumpf des Verbrechens und Matthew McConaughey bekommt in der Rolle des Cannabis-Königs seinen machtvollen Hang zum Overacting fast in den Griff. Mit sanft ironischem Blick fächert Ritchie das Typen-Spektrum der konkurrierenden Alphamänner auf. Kein großes Kino, aber eine unterhaltsame Fingerübung eines versierten Regisseurs, der hier mal wieder sein eigenes Ding drehen wollte.