Jugendschutz für Kopfbälle
England schafft das Kopfballtraining für Kinder ab. Studien zeigen mögliche Risiken für das Gehirn auf. Sogar zusätzliche Wechsel sind ein Thema
Augsburg Dass Will Smith jemals einen Ball mit dem Kopf gespielt hat, ist unwahrscheinlich. Was er spielt, sind Rollen in Hollywood. Zum Beispiel die von Bennet Omalu. Das ist ein nigerianischer Arzt, dessen Geschichte es bis ins Kino geschafft hat. Der Grund: Er brachte die mächtige Football-Liga NFL zum Einlenken. Und das in einer Problematik, die langsam den Fußball in Europa zu erreichen scheint.
Der Film über Omalu heißt „Erschütternde Wahrheit“. Er kämpfte dafür, dass die NFL ihre Regeln anpasst, um schweren Verletzungen vorzubeugen. Omalu war der Nachweis gelungen, dass die Vielzahl an Zusammenstößen Ursache dafür ist, dass Football-Profis besonders häufig an Demenz oder Alzheimer erkranken. Inzwischen weiß man: Fußballern geht es ähnlich.
„Es gibt retrospektive Studien, die klar zeigen, dass Fußballspieler ein höheres Risiko haben, eine chronische Schädigung des Gehirnes zu erleiden“, sagt Markus Naumann, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Augsburg. Das Risiko schätzt er im Vergleich zur restlichen Bevölkerung als etwa dreimal höher ein. Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE) heißt die Erkrankung. Grundsätzlich könne jede chronische Gewalteinwirkung auf den Schädel dazu führen. „Dabei kommt ursächlich wiederholten Kopfbällen sicher eine gewisse Bedeutung zu“, sagt Naumann.
Es überrascht nicht, dass im Land des American Football diese Erkenntnis schon vor Jahren Folgen hatte: Für Kinder unter elf Jahren sind Kopfbälle seit 2015 in den USA verboten. Fünf Jahre später zog England nach: Seit dieser Woche gibt es dort neue Vorschriften, die Kopfballtraining für Kinder im Grundschulalter untersagen, ab der U12 sollen Kopfbälle deutlich, in der U18 soweit wie möglich reduziert werden.
In Deutschland scheint sich diese Entwicklung durch die Hintertür einzustellen. „Kopfbälle wurden beim Training in letzter Zeit sowieso stiefmütterlich behandelt“, sagt Stefan Werner, der Nachwuchsleiter des FC Gundelfingen. Dort ist zugleich ein Stützpunkt des Deutschen Fußball-Bundes angesiedelt.
Man sei sensibilisiert, sagt Werner, warte aber auf eine mögliche Mitteilung des Verbandes, wie man das Training gestalten solle, um die Köpfe der Spieler zu schützen. Der Verband selbst äußerte sich auf Anfrage nicht.
Fraglich ist, ob weniger Kopfbälle die Gesundheit der Fußballer tatsächlich merklich schützen. Denn Kopfbälle sind nicht das einzige Risiko, dem die Gehirne der Spieler ausgesetzt sind. Auch „Kollisionen mit anderen Spielern, Stürze oder anderweitige chronische Erschütterungen des Gehirns“nennt Professor Naumann als Gefahrenquellen. Dabei dürfte sich beim Verbot von Kopfbällen ein Nebeneffekt einstellen: Ohne sie würden sich auch Luftzweikämpfe deutlich reduzieren. Naumann empfiehlt, „grundsätzlich jegliche Gewalteinwirkung auf den Schädel und somit das Gehirn zu vermeiden“, auch wenn das „in der Praxis sicher nicht einfach umzusetzen ist“. Zudem müssten Spieler frühzeitig aufgeklärt werden.
Mit Kopfverletzungen beschäftigt sich am Wochenende bei seiner Jahreshauptversammlung das IFAB – das International Football Association Board. Das Gremium ist für die Regeln im Weltfußball zuständig und denkt darüber nach, ob am Kopf verletzte Spieler zum Schutz in Zukunft zeitweise oder zusätzlich zum Wechselkontingent ausgewechselt werden dürfen. Damit könnte man allerdings nur akuten Verletzungen entgegentreten. Die vielen unbemerkten Zusammenstöße blieben unverändert Teil des Spiels.
Besonders junge Spieler zu schützen, wie es der englische und amerikanische Verband praktizieren, hält Naumann für sinnvoll. Je jünger die Spieler seien, deren Köpfe Erschütterungen ausgesetzt sind, desto früher könnten Einschränkungen der
Archivbild: Günter Jansen
Hirnfunktion auftreten. Wo eine klare Altersgrenze zu ziehen ist, sei jedoch wissenschaftlich nicht zu definieren. Dazu gebe es keine verlässlichen Daten.
Einen Helm, wie von Naumann vorgeschlagen, tragen FootballSpieler schon lange. Und auch im Fußball ist das nicht so unvorstellbar, wie es scheint. Einen Helmträger kennen viele aus der Bundesliga: Klaus Gjasula vom SC Paderborn. Seit er sich 2013 das Jochbein brach, spielt er nicht mehr ohne Kopfschutz. „Ich fühle mich damit sicherer“, sagt er. Doch das sei tatsächlich nur ein Gefühl, sagt Claus Reinberger, Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Universität Paderborn. „Der Helm schützt sein Jochbein, aber nicht das Gehirn“, zitiert ihn das Online-Portal Sportbuzzer. Um es wirklich zu schützen, müssten Fußballer tatsächlich Helme wie beim American Football tragen.