Rieser Nachrichten

Oettinger Pioniere des Bildungswe­ges

Anfang der 70er-Jahre gründete sich der Oettinger Bildungswe­g, ein Zweig der örtlichen VHS. Die Mitglieder wollten ihren Horizont erweitern – und tun das bis heute

- VON RONALD HUMMEL

Oettingen 1969 wurde Oettingen als eine von drei Gemeinden für die Teilnahme an einem Projekt des Bayerische­n Volkshochs­chul-Verbandes ausgewählt. Unter dem Motto „Bildung auf dem Lande“nahmen 36 Bildungshu­ngrige fortan an einer Reihe mit Vorträgen namhafter Professore­n, Pädagogen, und Politiker teil, die wöchentlic­h zunächst über vier Semester stattfand – bis dahin gab es nur sporadisch­e Veranstalt­ungen im Oettinger Bildungswe­rk. Oettingen ist die einzige der drei Kommunen, die diese Initialzün­dung langfristi­g fortführt, der „Oettinger Bildungswe­g“wurde zu einem Zweig der 1973 gegründete­n Volkshochs­chule Oettingen und besteht bis heute, derzeit mit rund 20 Mitglieder­n. Fünf der zehn noch aktiven Pioniere des Bildungswe­ges trafen sich mit den Rieser Nachrichte­n: Marianne und Herbert Schaffer, Franz Däubler, Rosemarie Wagner, Dorothea Haßler.

Sie waren damals allesamt berufstäti­g, zwischen 20 und 30 Jahre alt, bauten Häuser und gründeten Familien. „Trotzdem wollten wir unseren Horizont erweitern“, fasst Franz Däubler zusammen, warum man sich fortan intensiv mit Semesterth­emen wie Psychologi­e, Gruppendyn­amik, Literatur, Physik, Rhetorik, Physiognom­ie, Astronomie, Weltreligi­onen oder Pressewese­n auseinande­rsetzte. Alle sind sich einig, dass der Bildungswe­g den Leentschei­dend bereichert hat. „Es war alles interessan­t, weil der Grundsatz galt, dass jeder Kurs auf den Menschen bezogen sein muss“, meint Rosemarie Wagner. Außerdem befassten sich etliche Themen wie Geronto-Psychologi­e mit der Lebensgest­altung selbst. Die Teilnehmer kamen aus dem ganzen Ries, von Holheim bis Dornstadt, von Ehingen bis Hainsfarth, aus Nördlingen und natürlich Oettingen. Alles war streng reglementi­ert, wer mehr als zwei Mal in einem Semester fehlte, flog raus.

Umgekehrt war es wohl nicht zuletzt die Geselligke­it, die über ein halbes Jahrhunder­t lang zusammensc­hweißte – von den 36 ersten Teilnehmer­n stammten 32 aus 16 Ehepaaren: „Da musste keiner auf den anderen zu Hause warten“, sagt Herbert Schaffer, vielmehr unternahm man viel zusammen. Denn neben den wöchentlic­hen Vorträgen machte man noch zwei- bis dreitägibe­nsweg ge Seminarfah­rten, wie beispielsw­eise nach Kloster Weltenburg, oder unternahm auf eigene Kosten drei- bis viertägige Reisen in alle bedeutende­n Städte Europas. Dazu gab es Vorbereitu­ngsabende zu Geschichte und Kultur von Stadt und Land; vor Ort absolviert­e man ein straffes, anspruchsv­olles Programm mit ausgesucht­en Reiseführe­rn. Zum Teil bezogen sich auch Semestervo­rträge auf die Städte, zum Beispiel Dichtung auf Weimar, die Stadt von Schiller und Goethe, oder Kunst auf Kempten und das „Land der Blauen Reiter“.

So entstanden nicht nur Freundscha­ften fürs Leben, sondern auch der Bildungsst­off selbst war viel eingängige­r. „Die Regelmäßig­keit und das gemeinsame Aufarbeite­n der Inhalte in zum Teil lebhaften Diskussion­en festigten die Inhalte nachhaltig“, ist Dorothea Haßler überzeugt. „In der ganzen Gruppe ist niemand dabei, der an Demenz leidet“, fügt Rosemarie Wagner hinzu; die älteste der Pioniere ist 92 Jahre alt und geistig topfit. Die Mitglieder des Oettinger Bildungswe­ges waren einerseits immer offen nach außen und verschmolz­en vollständi­g mit der Oettinger Volkshochs­chule, anderersei­ts agierten sie immer selbststän­diger und organisier­en das Semesterpr­ogramm selbst. Aktuell steht eine Vortragsre­ihe zum Thema Europa an; so berichtet am Mittwoch, 4. März, ab 19.30 Uhr Diplom-Theologe Rainer Lüters über den Kirchenvat­er Augustin.

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Foto: Hummel Seit 50 Jahren auf dem Oettinger Bildungswe­g (von links): Rosemarie Wagner, Franz Däubler, Marianne Schaffer, Dorothea Haßler, Herbert Schaffer.

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