Als eine Bombe Sankt Georg traf
Vor 75 Jahren wurde die größte Kirche Nördlingens im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt
Nördlingen Die Stadt Nördlingen ist lange Zeit von unmittelbaren Kriegseinwirkungen verschont geblieben. Zu erinnern ist jedoch an den Bombenabwurf eines britischen Fliegers in der Nacht zum 12. Oktober 1941 auf Nördlingen, der das Hotel Deutsches Haus in weiten Teilen zerstörte und fünf Menschen den Tod brachte. Unter den Toten befanden sich auch zwei Töchter des 1905 verstorbenen, zuletzt in Nördlingen lebenden Heimatdichters Gottfried Jakob.
Nördlingen wurde erst zu Beginn des letzten Kriegsjahres vermehrt Zielscheibe von Bombenangriffen. Der Stadtrat beriet nun über Schutzmaßnahmen und „verbarrikadierte“die Stadt. Man überprüfte die öffentlichen Luftschutzräume, die mit Beleuchtung und Bänken ausgestattet werden sollten. Von den festgestellten 60 größeren Luftschutzkellern konnten aber nur 15 brauchbar gemacht werden. Für die Personen, die selbst keine Luftschutzkeller hatten, sollten Stollen gebaut werden. Viele Menschen wären, so berichtete Stadtrat Schweizer, bei Bombenangriffen auf die Marienhöhe gegangen, um in den dortigen Kellern oder unter den Bäumen Schutz zu suchen.
Am 22. und 23. Februar 1945 trafen Bomben das im Arbeitsdienstlager an der Augsburger Straße untergebrachte ungarische Lazarett, das Löpsinger Tor und den Bahnhof, ohne dass größere Schäden entstanden wären. Am 30. März, am Karfreitag 1945, traf eine der auf den Bahnhof gerichteten Sprengbomben irrtümlich die St.-Georgs-Kirche und zerstörte dabei den westlichen Teil des Kirchenschiffs mit Empore und Hauptorgel. Der enorme Luftdruck ließ die Fenster bersten und riss die Dachziegel in die Tiefe.
Dekan Dr. Karl Lotter schildert fassungslos seine Eindrücke beim Betreten der Kirche: „Das Dach war aufgerissen, die Wände des Gotteshauses ragten kahl zum Himmel, ein Bild zum Erbarmen, und in der Hallgasse loderten unzählige Fackeln: Stabbrandbomben, zum Glück gerade in die Mitte der Hallgasse gefallen, so dass unsere Stadt vor einer Brandkatastrophe bewahrt wurde. Mit einer Taschenlampe bewaffnet gingen wir dann, ... in die zertrümmerte Kirche. Wir mussten keine Tür mehr aufsperren, der Luftdruck hatte das besorgt. Was sehen wir? Einen ungeheuer großen
Schuttberg, bis zum Schalldeckel der Kanzel hinaufragend, und auf dem Schuttberg lagen verbogen eine Unzahl Orgelpfeifen.“
Weitere Angriffe folgten den ganzen April über. 660 Mal jagten die Alarmsirenen die Menschen in die Schutzräume. Am 8. April 1945 zerstörte ein Angriff Teile des Bahnhofs, dessen Hauptgebäude bis auf den ersten Stock abbrannte. Der Bahnverkehr musste nahezu vollständig eingestellt werden. Auch in den folgenden Tagen sorgten Fliegerangriffe immer wieder für Aufregung.
Insgesamt musste Nördlingen vierzehn Luftangriffe über sich ergehen lassen, wobei die beiden Luftangriffe vom Freitag, 20. April 1945 um 18.30 Uhr und eine halbe Stunde später auf den Bahnhof und auf das RAD-Lager die weitaus größten Schäden verursachten.