Rieser Nachrichten

Der Bürgermeis­ter für alle

Warum Christoph Schmidts Weg ins Harburger Rathaus ziemlich einmalig ist

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Harburg Die Entscheidu­ng fiel Anfang August 2019 im Urlaub in Italien. Da beschloss Christoph Schmidt, in seiner Heimatstad­t Harburg Bürgermeis­ter werden zu wollen. Das Problem: Die Verantwort­lichen der drei großen Parteien beziehungs­weise Gruppierun­gen in der Kommune hatten sich jeweils schon auf einen Kandidaten festgelegt. Also packte Schmidt die Sache selbst an. Mit einem kleinen Team aus dem Freundes- und Bekanntenk­reis machte er sich daran, ein Konzept für den Wahlkampf zu erarbeiten. Sieben Monate später hat der 34-Jährige nun die Stichwahl um den Posten des Rathausche­fs mit 61,4 Prozent für sich entschiede­n. Er tritt damit am 1. Mai die Nachfolge von Wolfgang Kilian (CSU) an. Der Weg des Industriem­eisters Flugzeugba­u zum Bürgermeis­ter dürfte im Donau-Ries-Kreis in der jüngeren Vergangenh­eit einmalig sein.

Mit dem Gedanken, dieses Amt anzustrebe­n, habe er schon länger gespielt, berichtet Schmidt am Tag nach dem Wahlsieg. Eigentlich habe er ja für die PWG-BG-FW Harburg antreten wollen, deren Mitglied er auch war. Als auch Axel Wiedenmann, der Vorsitzend­e des Ortsverban­ds der Parteifrei­en, seinen Hut in den Ring warf, sei das Ziel auf diesem Weg nicht mehr zu erreichen gewesen. Schmidt musste eine andere Lösung finden. Obwohl mancher seine Idee zunächst belächelt habe, beschloss er quasi einen Alleingang. Wobei: Ganz allein war er dann doch nicht. Anfangs überlegte er mit drei, vier Vertrauten, wie er sich aufstellen könnte. Eines war klar: Viel Geld durfte der Wahlkampf nicht kosten: „Ich habe mir ein Limit von 4000 Euro gesetzt.“Eines sei ihm wichtig gewesen: „Ich bestreite alle Ausgaben aus eigener Tasche.“Weil die finanziell­en Mittel begrenzt waren, benötigte der verheirate­te Vater dreier Kinder viele ehrenamtli­che Helfer. Das eigentlich­e Wahlkampft­eam wuchs auf etwa ein halbes Dutzend Personen. Hinzu kamen „viele Unterstütz­er“, die kostenlos Plakate aufhängten und Wahlprospe­kte verteilten. Knapp 30 Helfer waren in den vergangene­n Wochen für Schmidt im Einsatz. Damit er auch Zeitungsan­noncen schalten konnte, legten Angehörige und Freunde zusammen, um diese zu bezahlen.

Freilich musste Schmidt auch die formalen Voraussetz­ungen für eine Kandidatur erfüllen. Dazu gründeten er und seine Mitstreite­r die

Wählergrup­pe „Unabhängig für Harburg“. Es wäre sicher kein Nachteil für den Bewerber gewesen, wenn die Gruppierun­g auch eine Kandidaten­liste für den Stadtrat aufgestell­t hätte. Doch Schmidt entschied sich dagegen: „Ich habe mitbekomme­n, dass sich die anderen Parteien und Gruppierun­gen schwergeta­n haben, genügend Bewerber für den Stadtrat zu finden. Ich wollte niemandem welche wegnehmen und die Gesamtsitu­ation nicht komplizier­ter machen.“Dies sei eine „schwierige Entscheidu­ng“gewesen, schließlic­h habe er mit seiner Solo-Kandidatur alles auf eine Karte gesetzt.

Es folgte ein Wahlkampf, der die

Bevölkerun­g in Harburg mit seinen zehn Stadtteile­n elektrisie­rte. Die Gasträume und Säle waren bei den Wahlversam­mlungen bei allen vier Bewerbern voll besetzt. Zwar konnte Schmidt nach eigenen Angaben nicht einschätze­n, wie stark seine Mitbewerbe­r am Ende sein würden, jedoch habe er auf seine Vorträge hin positive Rückmeldun­gen bekommen: „Ich fühlte, dass es schon was werden könnte.“Anscheinen­d hätten ihm die Zuhörer abgenommen, dass er eine bürgernahe Politik machen wolle. Sein Motto lautete denn auch: „Schmidt für alle.“Vielleicht überzeugte Schmidt auch durch seine Tätigkeit als Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Harburg (seit 2011), dass er etwas bewegen und die auf die zehn Stadtteile verteilten Menschen zusammenbr­ingen kann.

In dieser Funktion schaffte es Schmidt dem Vernehmen nach, dass die Wehren der einzelnen Orte an einem Strang ziehen und ein harmonisch­es Verhältnis pflegen. Vor allem die jüngere Generation, so war immer wieder zu hören, hält große Stücke auf den Harburger.

Als er bei der Wahl am 15. März die meisten Stimmen bekam und damit zusammen mit Claudia Müller (SPD) die Stichwahl erreichte, war die Zuversicht bei Christoph Schmidt groß: „Ich schaffe es.“Sein Gefühl täuschte ihn nicht. „Ich bin froh, dass das Ergebnis so eindeutig ist“, zeigt er sich am Montag glücklich. Noch am Sonntagabe­nd habe er per E-Mail und WhatsApp über 200 Glückwunsc­h-Nachrichte­n bekommen. Angesichts der Corona-Gefahr verbot sich eine richtige Wahlparty. Stattdesse­n fand eine „große Videokonfe­renz mit Bekannten und Verwandten“statt. Die dauerte bis nach Mitternach­t.

In den kommenden Tagen will Schmidt, der ganz nebenbei auch der jüngste Bürgermeis­ter im Donau-Ries-Kreis sein wird, alle Weichen dafür stellen, den Posten im Rathaus im Mai antreten zu können. Nach 20 Jahren beim Hubschraub­erherstell­er Airbus Helicopter­s werde er dort kündigen. Seine Aufgaben als Feuerwehrk­ommandant werde er seinem Stellvertr­eter Florian Gaudera übertragen: „Das geht nahtlos.“

Als Bürgermeis­ter wolle er zunächst einmal mit jedem Mitarbeite­r sprechen, um die Aufgabenge­biete kennenzule­rnen. Die Herausford­erungen werden Schmidt zufolge sogleich groß sein, auch und vor allem wegen der Coronaviru­s-Pandemie und ihren Auswirkung­en: „Diese Problemati­k ist sicher nicht Mitte April vorbei.“

Die Aufgaben möchte Schmidt gemeinsam mit allen Fraktionen im Stadtrat angehen und die bestmöglic­hen Lösungen finden. Mit der PWG-BG-FW pflege er nach wie vor ein gutes Verhältnis. Mit dem unterlegen­en Axel Wiedenmann habe er vereinbart, sich auf ein Bier zu treffen – sobald es die Situation wieder zulässt.

Viele positive Rückmeldun­gen

 ?? Foto: Szilvia Izsò ?? Er ist erst 34 Jahre alt und tritt offiziell am 1. Mai sein Amt als Bürgermeis­ter der Stadt Harburg an: der parteilose Christoph Schmidt. Er setzte sich am Sonntag bei der Stichwahl klar gegen Claudia Müller (SPD) durch.
Foto: Szilvia Izsò Er ist erst 34 Jahre alt und tritt offiziell am 1. Mai sein Amt als Bürgermeis­ter der Stadt Harburg an: der parteilose Christoph Schmidt. Er setzte sich am Sonntag bei der Stichwahl klar gegen Claudia Müller (SPD) durch.

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