Filmpreise ohne Applaus
„Systemsprenger“ist der große Gewinner
Das Wichtigste an einer Preisverleihung ist nicht die Trophäe, die zu gewinnen ist, es ist der Applaus. In ihm spiegelt sich jene Anerkennung wider, ohne die keine künstlerische Arbeit auskommt. Der Applaus blieb aus, musste ausbleiben bei dieser 70. Verleihung des deutschen Filmpreises. Zum Jubiläum machte das Virus den Veranstaltern der Gala einen Strich durch die Rechnung. Smoking und Abendkleid blieben im Schrank.
So tanzt Moderator Edin Hasanovic mutterseelenallein durch die rbbHalle in Adlershof, moderiert und witzelt über zwei Stunden lang um sein Leben. Keiner möchte mit ihm tauschen. Auch die besseren der lauen Pointen verpuffen in der Leere des Raumes. Die meisten Laudatoren von Anke Engelke bis Giovanni di Lorenzo werden über VideoSchalte glamourfrei auf die Leinwand gebracht. Live ins Studio kommen nur wenige: Iris Berben als ehemalige Akademie-Präsidentin, Kim Riedel im spektakulären Abendkleid, Ronald Zehrfeld, der mit dem Motorrad hereinrollen darf. Die Nominierten sind im Konferenzmodus auf der Leinwand zu sehen. Wer hätte gedacht, dass sich eine Filmpreisgala mal wie Homeoffice anfühlen würde?
Bei der elfjährigen Helena Zengel spürt man dennoch die ganze Wucht der Freude, als sie für ihre Rolle in „Systemsprenger“als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wird. Sie ist die jüngste Preisträgerin in der Geschichte der Akademie, ihr Film gehört in sieben weiteren Kategorien zum großen Sieger des denkwürdigen Abends. Die Goldene Lola für die beste Produktion ging ebenso an das Drama um ein schwer erziehbares Kind wie die Preise für Regie, Drehbuch, männliche und weibliche Nebenrolle, Schnitt und Tongestaltung.
Auf dem zweiten Platz landete Burhan Qurbanis Döblin-Verfilmung „Berlin Alexanderplatz“mit der Silbernen Lola und vier weiteren Preisen. Als Bindeglied zwischen den Siegerfilmen wurde Albrecht Schuch als bester Nebendarsteller in „Systemsprenger“und bester Hauptdarsteller in „Berlin Alexanderplatz“gefeiert. Vom engagierten Sozialarbeiter bis zum Unterweltkönig zeigt Schuch die Bandbreite seines Könnens, die gleichzeitig für die Vielfalt des deutschen Kinos im letzten Jahr steht. Die soziale Empathie von „Systemsprenger“und die epische Wucht von „Berlin Alexanderplatz“– zwei völlig verschiedene, großartige Kinoerlebnisse, die Standing Ovations verdient hätten.