Rauchschwaden über Turin
Von einem Rauchverbot hatte im Sommer 1990 noch niemand gehört. Ich nicht, mein Vater nicht und auch nicht dessen Freunde, mit denen ich das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und England ansehen durfte. Für mich, den Neunjährigen, war alles an diesem Abend magisch. Und das, was aus dem 600 Kilometer entfernten Turin in unser Wohnzimmer übertragen wurde, kommentierten Gerd Rubenbauer, mein Vater und dessen Freunde für mich. Ich hing an ihren Lippen, als sie von der englischen Härte dozierten, feierte die Führung von Brehme, der späte Ausgleich Linekers stürzte mich in Verzweiflung. Je länger das Spiel dauerte, desto schwieriger wurde es aber, dem Geschehen auf dem Rasen zu folgen: Die Herrengruppe quarzte die Zigaretten im Takt eines Industrieofens weg. Die Rauchschwaden vernebelten den Blick auf unseren Röhrenfernseher. Nach 120 Spielminuten waren meine Augen gerötet – egal: Elfmeterschießen. Als Pearce und Waddle verschossen, standen wir im Finale. Nur bei der finalen Schnapsrunde musste ich passen. Was für ein Abend. Florian Eisele