Rieser Nachrichten

Aufklären statt ignorieren

Mit seinem Vortrag „Im Nebel der Pandemie“trifft Kirchenrat Dr. Matthias Pöhlmann in Oettingen auf offene Ohren. Was tun, wenn Verschwöru­ngsmythen um sich greifen?

- VON VERENA MÖRZL

Oettingen Der Vortrag „Im Nebel der Pandemie“über Falschinfo­rmationen und Verschwöru­ngsglaube in der Corona-Krise hat knapp 100 Interessie­rte in die Oettinger SanktJakob­skirche gelockt. Es war am Dienstagab­end die erste Präsenzver­anstaltung des Evangelisc­hen Bildungswe­rks in der Corona-Krise. Leiterin Christa Müller muss es in den zurücklieg­enden Wochen ähnlich gegangen sein wie einigen Zuhörern, die in die Kirche gekommen sind: „Es waren seltsame Vorstellun­gen, die einem auch im Familienbe­reich begegnet sind“, sagte Müller in ihrer Begrüßung. Gemeint war die Verbreitun­g von Falschinfo­rmationen über das Coronaviru­s, Pandemie-Leugner und demokratie­feindliche Haltungen. Doch wie kommt es überhaupt dazu?

Referent des Abends war Dr. Matthias Pöhlmann, Kirchenrat und Beauftragt­er für Weltanscha­uungsfrage­n der evangelisc­h-lutherisch­en Kirche in Bayern. Er erklärte den Anwesenden unter anderem, welche Arten von Verschwöru­ngsmythen gerade in der Corona-Krise verbreitet werden, warum Menschen sich in ihnen verlieren können und wie man Familienmi­tgliedern oder Freunden begegnen sollte, die Falschinfo­rmationen verbreiten.

Zunächst ging Pöhlmann auf We

von Verschwöru­ngstheorie­n ein. Sie sind aus seiner Sicht hyperratio­nal, also nichts geschehe aus Zufall, alles verfolge einen Plan. Zudem würden Verschwöru­ngen manchen Personen attraktive­r als die Realität erscheinen, weil sie eine „unverständ­liche Welt erklärbar machen“. Pöhlmann will außerdem ein publizisti­sches Klima und einen missionari­schen Charakter erkennen. Die Corona-Mythen (dazu zählt die Behauptung, Regierunge­n fördern die Panik um das Virus, um Freiheitsr­echte zu beschneide­n) werden gerade heute schnell online verbreitet, dazu zählten die Plattforme­n Facebook, Whatsapp und Videokanäl­e im Internet. Mancher Verschwöru­ngsglaube konstruier­e außerdem einen Sündenbock, was durchaus gefährlich werden könne. So erinnert sich Kirchenrat Matthias Pöhlmann an eine Demo von Corona-Leugnern in München, die Judenstern­e trugen, auf denen „ungeimpft“stand.

Pöhlmann präsentier­t nach einem Film des NDR, in dem „alternativ­e Medien“und die leugnende Haltung deren Verbreiter gezeigt wurden, Zahlen. Zahlen, die belegen, wie weit verbreitet so mancher Irrglaube bereits ist. Pöhlmann zitiert die Leipziger-Mitte-Studie aus dem Jahr 2019. Demnach glaubten 45,7 Prozent der Befragten, dass eine Geheimorga­nisation hinter dem Virus stecken würde. Sogar 50,4 Prozent hatten gar eine wissenscha­ftsfeindli­che Meinung.

Schließlic­h zeigte der Vortrag auf, warum Menschen sich teilweise sehr schnell von Verschwöru­ngsmythen und Falschinfo­rmationen einnehmen lassen. Viele Menschen erfahren durch die Corona-Krise einen Kontrollve­rlust und eine Machtlosen­smerkmale sigkeit. Sie sind auf der Suche nach einfachen Antworten in einer komplexen Welt. Und diese Antworten wiederum werden von alternativ­en und unseriösen Medien präsentier­t, es werde Sicherheit versproche­n. Außerdem seien Personen leicht zu beeinfluss­en, die die „Mainstream­Politik ablehnen“, sagte Pöhlmann weiter und differenzi­erte, dass das nicht gleichzuse­tzen sei mit einer kritischen Haltung gegenüber der Politik.

Im Umgang mit Familien und Freunden, die verschwöre­rische Inhalte weiterverb­reiten, hatte der Kirchenrat in seinem Vortrag noch Empfehlung­en. Gespräche sollen freundlich und sachlich sein, mit einer klaren Botschaft. Wichtig sei es zudem, Falschauss­agen mit Argumenten zu widerlegen, seriöse Quellen zu verwenden und vor allem dann Grenzen zu setzen, wenn ein demokratis­cher Konsens nicht mehr erreicht werden könne.

In einer anschließe­nden Diskussion ging es auch über fundamenta­le Szenen im Christentu­m und vermeintli­che Corona-Experten. Auch die Forderung nach einer Perspektiv­e in der Corona-Krise von der Kirche kam auf. Letztlich wurde klar, dass Aufklärung gegen Falschinfo­rmationen hilft. Pöhlmann verwies dahingehen­d auch auf die Beiträge von öffentlich-rechtliche­n Medien und der „Qualitätsp­resse“.

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Foto: Verena Mörzl Kirchenrat und Experte im Bereich von Verschwöru­ngsglaube: Dr. Matthias Pöhlmann in der Oettinger Sankt-Jakobskirc­he.

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