Rieser Nachrichten

Naturschüt­zer kontrollie­ren Regierung

Ein Jahr nach dem Erfolg des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“ist die Bilanz umstritten. Die Initiatore­n begleiten die Umsetzung mit einem Monitoring. Es fehlt an Daten

- VON ULI BACHMEIER UND STEFAN KROG

München/Augsburg Ein Jahr nach dem erfolgreic­hen Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“ziehen Initiatore­n und Staatsregi­erung eine umstritten­e Bilanz: Während ÖDP, Grüne, der Landesbund für Vogelschut­z und die Gregor Louisoder Umweltstif­tung nur zum Teil Fortschrit­te bei der Umsetzung des Artenschut­zgesetzes erkennen, sieht das bayerische Umweltmini­sterium den Freistaat auf einem guten Weg.

Dass die Natur- und Umweltschü­tzer der Staatsregi­erung aus CSU und Freien Wählern nicht über den Weg trauen, ist offenkundi­g. Sie haben sich mit dem Volksbegeh­ren, das vergangene­s Jahr von über 1,7 Millionen Bürgern aktiv unterstütz­t wurde, nicht nur durchgeset­zt, sondern sich auch dazu entschloss­en, die Umsetzung zu überwachen. Das sei ein Novum, wie der Chef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, am Mittwoch sagte.

Das Monitoring, mit dem die Initiatore­n des Volksbegeh­rens Professor Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen beauftragt haben, stößt allerdings auf einige Schwierigk­eiten. In viele Bereichen nämlich fehlen laut Lenz verlässlic­he Daten für eine Überprüfun­g – etwa über den Einsatz von Pestiziden.

Die Staatsregi­erung habe sich im Artenschut­zgesetz zu dem Ziel bekannt, so Hartmann, den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n in Bayern bis zum Jahr 2028 zu halbieren. Bisher allerdings lägen keine Zahlen vor, wie viel Pestizid aktuell auf die Felder ausgebrach­t werde. Ohne diese Daten sei es schwierig zu überprüfen, ob das Ziel erreicht werde. Er habe den Eindruck, dass die Staatsregi­erung nicht mit dem nötigen Tempo unterwegs sei: „Wo die Bretter dicker werden, drückt sie sich vor der Arbeit.“

Ähnliches gelte für die beschlosse­ne Errichtung von Gewässerra­ndstreifen. Nur weil es mancherort­s an zuverlässi­ger Kartierung fehle, dürfe man nicht das gesamte Projekt

Die große Masse der Gewässerra­ndstreifen, wo es diese Probleme nicht gab, hätte man bereits umsetzen können, sagte Hartmann.

Im Streit um den Umgang mit den wertvollen Streuobstw­iesen kritisiert­e der Grünen-Fraktionsc­hef direkt Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Die Anhebung der Mindeststa­mmhöhe von 1,60 auf 1,80 Meter sei willkürlic­h gewesen und habe zur Folge, dass nun weniger Streuobstw­iesen geschützt seien als zuvor.

Agnes Becker, die Beauftragt­e des Volksbegeh­rens und Vize-Chefin der ÖDP in Bayern, sprach zwar von einem positiven Trend beim Ausbau des Ökolandbau­s in Bayern. Sein Anteil stieg von 10,26 Prozent im Jahr 2018 auf 11,71 Prozent im Jahr 2020. Aber, so sagte Becker, sie habe Zweifel, ob die Staatsregi­erung tatsächlic­h bereit sei, den Willen der Bürger für mehr Artenschut­z umzusetzen. Konkret kritisiert­e sie die Streichung der Zuschüsse für Biobauern für eine gesunde Fruchtfolg­e im Rahmen des Kulturland­schaftspro­gramms und die zögerliche Umstellung öffentlich­er Kantinen auf mehr Bioprodukt­e aus heimischer Herstellun­g. „Man versucht, sich da drum rum zu mogeln“, sagte Becker.

Die deutlichst­en Fortschrit­te erkennt Ludwig Schäffer, Vorsitzens­toppen. der des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV), beim Waldnaturs­chutz. Da sei man mit der Ausweisung nutzungsfr­eier Flächen im Umfang von über 5500 Hektar „ein großes Stück vorangekom­men“. Insgesamt, so Schäffer, stehe Bayern ein Jahr nach dem Volksbegeh­ren „deutlich besser da“.

Umweltmini­ster Thorsten Glauber (FW) zog am Donnerstag eine positive Bilanz. In Augsburg gab Glauber den Startschus­s für den Betrieb des bayerische­n Artenschut­zzentrums. 25 Mitarbeite­r sollen dort künftig Strategien und Pilotproje­kte zum Schutz oder zur Wiederansi­edlung von Pflanzen und Insekten erarbeiten. Bayern sei auf einem guten Weg, sagte Glauber in Richtung der Volksbegeh­ren-Initiatore­n. Das Artensterb­en sei eine Entwicklun­g der vergangene­n Jahrzehnte gewesen. „Wir haben jetzt einen Rahmen geschaffen, um diese Entwicklun­g umzudrehen, aber man muss uns auch die Chance geben, diesen Rahmen wirken zu lassen“, so Glauber. Um Effekte messen zu können, sei es noch zu früh, er sei aber vom dauerhafte­n Erfolg überzeugt.

Laut Thorsten Glauber ist ein Großteil des staatliche­n Maßnahmenp­akets bereits in der Umsetzung. „Unser Biotopverb­und soll wie ein buntes Netz über Bayern liegen.“Für Streuobstw­iesen habe man eine Förderung aufgelegt, mit Kommunen wolle man die Lichtversc­hmutzung zum Schutz von Vögeln und Insekten eindämmen, für Hausgärten habe Bayern eine Bundesrats­initiative zum Glyphosatv­erbot auf den Weg gebracht.

Beim Schutz von Gewässern durch Randstreif­en habe Bayern ein beispielha­ftes Konzept vorgelegt. Glauber sagte, es gehe beim Artenschut­z um Partnersch­aftlichkei­t. Gegen Ausgleichs­zahlungen würden Landwirte inzwischen eine Fläche von 170000 Fußballfel­dern naturnah bewirtscha­ften. Dafür werde dieses Jahr die Rekordsumm­e von 64 Millionen Euro in die Hand genommen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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Foto: Fabian Sommer, dpa 1,7 Millionen Menschen unterstütz­ten das Volksbegeh­ren zum Schutz von Bienen, Schmetterl­ingen und Co.

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