So vielseitig ist der Kürbis
Wohl kein Gemüse erlebt so einen Boom wie das einst als „Essen für Arme“geschmähte Gewächs. Norbert Siller kocht für die Bayerische Staatskanzlei und verrät seine Tipps für den Star des Herbsts
München Für dieses Trumm braucht es fast einen Kran: Zwei starke Männer müssen anpacken, um den 80 Kilo schweren orangefarbenen Riesen auf den Küchenherd zu hieven. Handlicher wären zweifelsohne Exemplare gewesen, wie es sie normalerweise im Laden zu kaufen gibt, mit 1000 oder 2000 Gramm Gewicht. Doch Norbert Siller hat den ausgewachsenen Hokkaido zum Erntedankfest von einem Kindergarten geschenkt bekommen. Nun wird er fachkundig tranchiert. „Das reicht genau einmal, um Kürbissuppe zu kochen“, erzählt der Küchenchef. Auf etwa hundert Liter Suppe geht sich’s aus.“
Seit 2014 kocht Siller für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Staatskanzlei, vom Sekretär über den Amtsleiter und Minister bis hin zum Ministerpräsidenten, mit Leckereien, gern saisonal und regional. Das Catering für Kindergärten und Schulen nicht zu vergessen, die von seinen Köchen zusätzlich mit Mittagessen versorgt werden. Kürbis steht dabei in der Saison mindestens ein-, wenn nicht zweimal die Woche auf dem Speiseplan. Für Siller ist Kürbis einfach „ein tolles Herbstgemüse“.
Er liebt ihn wegen seiner intensi- ven Farbe, „das Auge isst schließlich mit“, für seinen Geschmack und weil er so vielfältig einsetzbar ist. Seit etwa zehn Jahren erlebt Kürbis, der einst als „Kriegsgemüse“und Essen für Arme galt, eine Art Renaissance. 2019 wurden laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 86000 Tonnen Speisekürbis – von Hokkaido über Muskat und Spaghettikürbis – geerntet. Zwei Jahre davor waren es noch 78 000 Tonnen.
Siller ist schon länger KürbisFan. Als der gebürtige Südtiroler vor 30 Jahren zum Arbeiten nach München kam, lernte er das Gemüse bei einem Nachbarn kennen, der es in seinem Garten zog. Kürbis kann nicht nur salzig in Spalten gegart, in Nudelsoßen (sein persönlicher Favorit), Fleisch-, Wild- oder Fischgerichten, Risotto, Aufläufen und Suppen serviert, sondern auch süßsauer eingelegt oder als Süßspeise zubereitet werden. Norbert Siller kocht damit Marmelade oder füllt feine Pfannkuchen mit Kürbis-Birnen-Kompott, packt geriebenen Kürbis in Desserts wie Scheiterhaufen, Kuchen oder Kaiserschmarrn.
Ursprünglich kommt der Speisekürbis aus Südamerika und der japanischen Insel Hokkaido. Heute gibt es mehr als 800 Sorten auf der Welt.
„Die Speisekürbisse, die bei uns an- gebaut werden, gehören zu den Ar- ten Riesenkürbis, Gartenkürbis und Moschuskürbis“, erklärt Landwirt Fabian Schneider aus Dirmstein in der Pfalz. „Die meisten Fans hat der orange-rote Hokkaido wegen seiner ansprechenden Farbe und der guten
Verarbeitungsmöglichkeiten. Bei ihm darf die Schale mitgegessen werden.“Wer das möchte, greift am besten zu regionaler Bio-Ware. Gern gekauft werden bei uns auch Butternut, Grüner Hokkaido und Muskatkürbis.
Kürbis schmeckt nicht nur fein, sondern hat auch wenig Kalorien. „Damit ist er ein schlanker gesunder Sattmacher“, so Sonja Schäche vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Mit Ballaststoffen fördert Kürbis die Verdauung. Außerdem punktet er mit dem Mineralstoff Kalium sowie mit sekundären Pflanzenstoffen wie Carotinoiden. Sie wirken entzündungshemmend und senken das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und angeblich sogar für bestimmte Krebsarten. Phytosterine, also pflanzliche Hormone, helfen zudem gegen einen hohen Cholesterinspiegel. Deshalb wurde der Kürbis 2005 vom „Studienkreis Arzneipflanzenkunde“der Uni Würzburg zur „Heilpflanze des Jahres“ernannt.
Vor dem Kochen sollte man immer ein Stückchen rohen Kürbis probieren. Schmeckt das bitter, darf man ihn nicht mehr essen. Denn in seltenen Fällen kann Kürbis schädliche Cucurbitacine enthalten.
Unbeschädigte, ausgereifte Hokkaidos mit drei, vier Zentimeter langem Stiel lassen sich mehrere Monate aufbewahren, am besten an einem kühlen Ort. Selbst wenn sie längere Zeit als Deko verwendet wurden, kann man sie meist noch gut in der Küche verwenden. Angeschnittene Hokkaidos halten sich im Kühlschrank in Frischhaltefolie verpackt etwa zwei Tage lang.
Wer mag, kann sogar die Kürbiskerne verwenden. Foodbloggerin Sonja Schäche (www.treatandfeed.de) etwa macht daraus ein Kürbiskern-Pesto, das sie mit KürbisReis auf den Tisch bringt.
Die Schale kann man beim Hokkaido mitessen