Wenn Smartphone und Auto verschmelzen
Immer mehr Fahrzeuge sind „connected“. Das heißt, sie offenbaren eine zunehmende Fülle an digitalen Funktionen, viele davon im Zusammenspiel mit dem Handy. Welche Hersteller welche Dienste bereits anbieten – und wohin die Reise gehen soll
Am Frühstückstisch noch schnell mit dem Smartphone die Strecke für den anstehenden Ausflug raussuchen und mit einem Fingertipp ans Auto-Navi schicken. Die Szene zeigt: Das Smartphone wird immer öfter zur Fernbedienung für vernetzte Autos. Und mit sogenannten digitalen Ökosystemen lassen sich in Zukunft noch mehr Dienste realisieren, sind die Hersteller überzeugt.
Mercedes integriert seit 2014 das digitale Ökosystem Me in seine Fahrzeuge. Über fünf Millionen Nutzer weltweit haben die zugehörige App auf ihrem Smartphone installiert. Darüber können sich Besitzer anmelden und verschiedene Funktionen des Autos per Smartphone steuern. „Mercedes Me ist ein digitaler Helfer rund um Auto und Mobilität, der das Leben der Kunden vereinfachen soll“, erklärt Mathias Vaitl, Mercedes-Verantwortlicher für Me und digitale Dienste.
Fahrzeuge ab Baujahr 2002 können bei Mercedes über einen kostenlosen Steckadapter für das OnBoard-Diagnosesystem des Fahrzeugs (OBD II) mit der App vernetzt werden, ältere Fahrzeuge lassen sich nicht nachrüsten. Zu den Basisdiensten zählen unter anderem Wartungs- und Pannenmanagement sowie Fahrzeugferndiagnose. Weitere Dienste wie Verkehrsinformationen oder Tankstellenpreise sind für drei Jahre kostenlos. Über die App lässt sich auch ein Servicetermin beim Händler vereinbaren.
Künftig soll das Smartphone mit der App auch zum digitalen Schlüssel werden. Darüber lassen sich dann Fahrzeugrechte verteilen, Dienste buchen oder verlängern und auch die Software im Auto kann aktualisiert oder aufgerüstet werden. „In Zukunft werden wir mit mehr Partnern zusammenarbeiten, um weitere Dienste anbieten zu können. Das kann das automatische Bezahlen von Maut, Parkplätzen oder Tanken sein, aber auch das Bestellen von Essen“, sagt Vaitl.
Volkswagen bietet mit We seit 2017 eine digitale Plattform für Mobilitätsdienste, die über den Autoverkauf hinausgeht und auch Carsharing, Leasing oder Mieten einbindet. Nutzer können per WeConnect-App auf verschiedene
Dienste wie bargeldloses Parken, das Abrufen von Kilometerstand und Tankfüllstand sowie zurückgelegte Strecken zurückgreifen.
Mit dem Handy lässt sich das Auto entsperren und bei E-Autos der Strom bezahlen. „Der Vorteil für Kunden liegt darin, dass sie viel über ihr Fahrzeug und ihre Fahrweise lernen, dazu erleichtert es den Alltag“, sagt Christoph Hohmann, Leiter Customer Engagement & Communication bei VW.
Zudem soll We möglichst viele Autos untereinander vernetzen, sodass die Fahrer frühzeitig Infos über freie Parkplätze, Unfälle oder Unwetter auf der Fahrstrecke erhalten. Außerdem sollen sich Funktionen
dann freischalten und bezahlen lassen, wenn sie auch gebraucht werden, etwa Navi-Karten nur für den Urlaub. Dieses Modell ist bei anderen Unternehmen wie Tesla schon etabliert. VW vernetzt seit dem Sommer jedes Neufahrzeug ab Werk, ältere Modelle lassen sich per Dongle für 40 Euro nachrüsten.
Für Jan Burgard, Geschäftsführer der Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors, wird ein digitales Ökosystem von Autoherstellern erst wertvoll, wenn es mindestens genauso gut oder besser als bekannte Systeme aus dem Smartphone-Bereich ist. „Wenn digitale Funktionen der Herstellersysteme nur rudimentär ausgebildet sind und sich durch den
Nutzer nicht personalisieren lassen, wird das Kunden nicht überzeugen. Sie werden weiter die Apps ihres Smartphones nutzen und das Herstellerangebot ignorieren“, sagt er.
Derzeitige Zwischenlösungen wie Android Auto oder Apple Carplay verbinden zwar die Benutzeroberflächen von Smartphone und Fahrzeug, im Hintergrund arbeitet aber das Smartphone. Für Autohersteller sei das kein einträgliches Geschäftsmodell, sagt Burgard. Das wird es erst, wenn Kunden kostenpflichtige Dienste der Hersteller buchen.
Derzeit seien fast alle Hersteller zu eigenen Systemen gezwungen, um vor allem Kunden von Elektrofahrzeugen den Technologie-Übernur gang zu erleichtern. „Für Fahrer von E-Autos ist es ein wichtiger Zusatznutzen, den Standort der nächsten freien Ladesäule zu kennen, zu wissen, ob sie technisch in Ordnung ist und ob die Möglichkeit einer Reservierung aus dem Auto heraus besteht“, sagt Burgard.
Peter Henrich, Leiter Produktmanagement bei BMW, sieht Fahrzeuge und digitale Dienste näher zusammenrücken. „Kaufgründe eines BMW sind für die meisten Kunden noch Design, Technik und Fahrverhalten. Aber digitale Dienste werden wichtiger“, sagt Henrich. BMW vernetzt seine Fahrzeuge mit Connected Drive. Als digitaler Mobilitätsassistent soll das System die Vorbereitung der Fahrt und die Fahrt selbst erleichtern.
„Connected Drive bietet im Auto eine Verbindung zur Außenwelt. Fahrer erhalten aktuelle Infos. Dazu lässt sich unter anderem Musik streamen, Smartphones werden über Apple Carplay und Android Auto integriert“, sagt Henrich. Bisher sind über 14 Millionen BMWFahrzeuge vernetzt.
Dass ein digitales Ökosystem dabei zwingend mit der Antriebsart des Autos zusammenhängt, sieht Peter Henrich nicht. „Innovativ denkende Menschen sind zwar neuen Antriebsarten wie der Elektromobilität besonders aufgeschlossen, aber auch Kunden von Verbrennern interessieren sich für und nutzen digitale Dienste“, sagt er. BMW bietet vier verschiedene Pakete ab 69 Euro jährlich an.