Goldfinger: Das letzte Aufbäumen
Die Staatsanwaltschaft beharrt auf einer Strafe für die vermeintlichen Steuerhinterzieher, obwohl das Gericht die Anklage längst zerpflückt hat. Die Verteidiger sind stinksauer
Augsburg Im Tierreich gewinnt das Katz-und-Maus-Spiel meist die Katze. Ist sie mal nicht erfolgreich, zieht sie sich schmollend auf ihren Platz zurück oder greift erneut an. Manchmal auch beides.
Im deutschen Steuerrecht geht es auch zu wie bei einem Katz-undMaus-Spiel. Anwälte und Finanzberater finden ein Schlupfloch in der Steuergesetzgebung, mit dessen Hilfe man eine Menge Geld sparen kann. Der Staat schließt dieses Loch mit neuen Gesetzen. Die Anwälte und Berater finden ein neues. Ein Kreislauf, der nicht endet. Es geht ja um Milliarden.
Doch noch nie zuvor wurde der Kampf um ein Steuerschlupfloch mit so harten Bandagen ausgefochten wie im Augsburger GoldfingerProzess. Obwohl das Gericht erst am Montag die Anklage zum wiederholten Mal zum allergrößten Teil zerpflückt hat, lässt die Augsburger Staatsanwaltschaft nicht locker. Sie arbeitet weiter auf eine Bestrafung der beiden angeklagten Münchner Anwälte und Steuerberater Martin H., 49, und Diethard G., 47, hin. Zu diesem Zweck hat sie am Mittwoch in mehrstündigen Ausführungen ihre rechtliche Sicht der Dinge klargemacht. Die Staatsanwälte konzentrieren sich nun auf vier Fallkomplexe, in denen sie zuversichtlich sind, eine Verurteilung der Steueranwälte durchsetzen zu können. Faktisch begrenzen die Strafverfolger damit selbst den Prozessstoff, wenngleich sie ihre Anklage bislang unverändert aufrechterhalten hat und eine Einstellung strittiger Vorwürfe noch nicht vorgeschlagen worden ist.
Der Vortrag der Staatsanwaltschaft am Mittwoch geht sehr ins Detail. Es geht um spezielle steuerrechtliche Themen, wie sie in der seit fast einem Jahr laufenden Verhandlung vor der
10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg schon häufiger diskutiert worden sind. Und es werden viele E-Mails der Angeklagten vorgelesen, mit denen belegt werden soll, dass deren GoldfingerSteuermodell nicht korrekt, ja strafbar war.
Auf die jüngste Erklärung des Gerichts geht die Staatsanwaltschaft mit keinem Wort ein. Das ist insofern erstaunlich, als der Vorsitzende Richter Johannes Ballis erst am Montag die Anklage zum zweiten Mal nach Ende Mai in weiten Teilen als nicht haltbar dargestellt hat. In acht von neun angeklagten Tatkomplexen sehen die Richter keinen dringenden Tatverdacht mehr. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die beiden Angeklagten ein „Steuerhinterziehungsmodell“kreieren wollten. Im Gegenteil: Der Aufwand, den sie betrieben hätten, deute eher darauf hin, dass sie das GoldfingerModell legal umsetzen wollten.
So wirkt es ein wenig wie das letzte Aufbäumen der Staatsanwaltschaft. Bislang hatte sie in dem Verfahren keine gute Figur abgegeben und war Belege für ihre Anklage schuldig geblieben. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Sachbearbeitung des Falls durch die Hände dreier verschiedener Staatsanwältinnen gegangen ist. Durch die Fokussierung auf vier Komplexe rechnet sich die Ermittlungsbehörde nun offenbar trotz der klaren Ansage des Richters noch eine letzte Chance in dem hoch komplizierten Prozess aus.
Die Verteidiger sehen die Sache nicht so sportlich. Sie sind wütend, dass die Staatsanwaltschaft aus ihrer Sicht keine neuen Argumente vorbringt und sich mit juristischen Fragen auseinandersetzt, die nach Darstellung der Anwälte schon längst geklärt seien. Verteidiger Richard Beyer spricht von einer „Verhöhnung der Angeklagten“und der „Verfolgung Unschuldiger“.
Die Atmosphäre in dem Verfahren ist seit Monaten vergiftet. Die Angeklagten haben sogar Strafanzeigen gegen mehrere Staatsanwälte gestellt.