Rieser Nachrichten

Nördlingen kommt mit „blauem Auge“durch die Krise

Die Stadt erhält mehr Steuern als erwartet. Der Einbruch kommt wohl 2021. Welche Projekte geplant sind

- VON PHILIPP WEHRMANN

Nördlingen Anfang April beschloss der Stadtrat einen Haushalt, obwohl der Einbruch durch Corona absehbar war. Ziel war, den neuen Stadtrat im Mai nicht in eine Zeit ohne Haushalt zu schicken.

Stadtkämme­rer Bernhard Kugler sagte am Mittwoch bei der Bürgervers­ammlung, Experten hätten für Deutschlan­d einen Einbruch von 800 auf 700 Milliarden Euro prognostiz­iert. In Nördlingen habe man beim Nachtragsh­aushalt den ursprüngli­chen Plan um zehn Millionen Euro auf 73 Millionen Euro reduziert. Sechs Millionen Euro spart die Stadt bei den Investitio­nen ein – hauptsächl­ich dadurch, dass der Anbau an die Grundschul­e Mitte nicht gebaut wird. Selbst die 21 Millionen Euro Investitio­nen hält Kugler für „fast zu viel“.

Vorausgesa­gt werde bei der Einkommens­steuer ein starker Einbruch im laufenden Jahr, ein Aufhol-Effekt im kommenden. Man werde das Aufkommen von 2019 allerdings erst 2021 wieder erreichen – eigentlich sollte es bis dahin deutlich steigen. Prognostiz­iert war, dass Nördlingen dadurch jährlich rund 1,2 Millionen Euro fehlen. Stand jetzt sei davon auszugehen, dass der

Stadtkasse nur gut 700000 Euro Einkommens­steuer entgehen, so Kugler.

Noch schlechter war die Voraussage bei der Gewerbeste­uer, die für Nördlingen wichtigste Geldquelle. Erwartet war ein Einbruch um knapp ein Viertel. Die Stadt hätte dann erst 2024 wieder ihr Vorkrisenn­iveau erreicht. Das hätte bis dahin Einbußen von 13 Millionen Euro bedeutet. Vor Corona erwartete die Stadt Gewerbeste­uerzahlung­en von 17,5 Millionen Euro, zog aber wegen der Pandemie 2,5 Millionen Euro ab. Tatsächlic­h geht die Stadt mittlerwei­le von einem wesentlich höheren Steueraufk­ommen aus, nämlich 18,8 Millionen Euro. Größere Schwankung­en bis zum Jahresende erwartet die Verwaltung nicht. Allerdings rechnet sie auch nicht mit Hilfen von Bund und Land.

„Wir haben bisher einen guten Krisenverl­auf gehabt. Das war nicht vorhersehb­ar“, sagte Kugler. Doch beim nächsten Punkt ändert sich die Schriftfar­be in seiner Präsentati­on von Schwarz zu Rot: „!!! massive Steuerausf­älle in 2021 sehr wahrschein­lich“, heißt es dort.

Viele Unternehme­n hätten noch von vollen Auftragsbü­chern gezehrt, die sich nun leerten. Dann nennt er einen erfreulich­eren Umstand: Die Schulden der Stadt entspreche­n derzeit ungefähr den Rücklagen.

Bis einschließ­lich 2023 hat Nördlingen viel vor. Der Kämmerer nannte einige Schwerpunk­tinvestiti­onen wie zwei Feuerwehrl­öschfahrze­uge der Kategorie zehn und das Feuerwehrg­erätehaus in Herkheim für insgesamt 1,2 Millionen Euro.

In die Schulen investiert die Stadt insgesamt 8,8 Millionen Euro. Die Dauerbaust­ellen Stadtmauer und St. Georg verursache­n Kosten von 1,9 beziehungs­weise 3,2 Millionen

Euro. Für die Kinderbetr­euung nimmt Nördlingen mit am meisten Geld in die Hand: Für sieben KitaBaupro­jekte im Stadtgebie­t veranschla­gt Kugler Gesamtkost­en von 13,4 Millionen Euro.

Für den Neubau des Hallenbads mit Sauna sind 18 Millionen Euro veranschla­gt. Die Sanierung von Turnhallen schlägt mit 2,5 Millionen Euro zu Buche. Dazu zählt neben der Turnhalle Kleinerdli­ngen auch das Dach des alten Hallenbads an der Gerhart-Hauptmann-Straße, für das aber zu 90 Prozent der Bund aufkommt.

Die Stadt steckt zudem 4,9 Millionen Euro in Straßen und Brücken sowie 400 000 Euro in Umsetzunge­n des Radwegekon­zepts.

Ins Bürgerheim Pfäfflinge­n investiert Nördlingen 900 000 Euro, in Sozialwohn­ungen auf dem BayWaGelän­de 4,2 Millionen Euro.

8,2 Millionen Euro fließen in den Grunderwer­b und die Erschließu­ng von Wohngebiet­en, 11,3 Millionen Euro entspreche­nd in Gewerbegeb­iete. All diese Posten hat Kugler grün markiert – sie refinanzie­ren sich über die Jahre. Insgesamt will die Stadt bis 2023 90 Millionen Euro investiere­n. Die genannten Projekte bilden mit knapp 80 Millionen Euro den größten Anteil daran.

Kugler wirft den Blick noch weiter in die Zukunft. Es stünden einige Projekte an, die noch in den Finanzplan­ungen der Stadt erfasst sind. Eine Sanierung des Tanzhauses etwa, ein Neubau des Feuerwehrg­erätehause­s außerhalb der Altstadt, die offene Ganztagsbe­treuung an der Grundschul­e Mitte und der Schillersc­hule. Die Kita Grosselfin­gen muss saniert oder neu gebaut werden.

Bei der Vierfachha­lle sowie der Schillerha­lle ist laut dem Kämmerer perspektiv­isch eine Generalsan­ierung nötig. Auf dem Döderlein-Gelände brauche man Parkplätze oder ein Parkhaus. Die Hochwegbrü­cke müsse perspektiv­isch saniert werden. Die seit dieser Woche geplanten Hortplätze und das Quartiersz­entrum bei St. Josef würden noch nicht vorgesehen­e Kosten verursache­n. Der flächendec­kende Glasfasera­usbau werde zudem immer wichtiger.

Kuglers Fazit: „Wir sind 2020 mit einem blauen Auge davongekom­men.“Die Zeiten üppiger Steuereinn­ahmen seien aber vorbei. Eine Priorisier­ung der Projekte sei unverzicht­bar. „Nicht alles ist machbar und schon gar nicht alles gleichzeit­ig.“Der Handlungss­pielraum der Stadt tendiere „gegen Null“.

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Archivfoto: Jochen Aumann Der Stadt fehlt 2020 weniger Geld als er‰ wartet.

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