Angeklagter sieht sich als Opfer
Prozess nach Tod eines Kaufbeurers
Kempten Herzkrank, fast blind und im Rollstuhl: Als er am Abend des 14. März nach einem Raubüberfall gefesselt und geknebelt in seiner Wohnung zurückgelassen wurde, hatte ein 50-Jähriger in Kaufbeuren keine Chance, sich selbst zu befreien. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erstickte er, nachdem ihm durch den Knebel seine Zahnprothese in den Rachen geschoben wurde. Seit Montag muss sich in dem Fall ein Mann vor dem Kemptener Landgericht verantworten. Ihm wird gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen.
Er soll das Opfer in seiner Wohnung beraubt und dann gefesselt und geknebelt zurückgelassen haben. Dass der Pflegebedürftige erstickte, soll er dabei in Kauf genommen haben. Zum Auftakt des Verfahrens machte der 29 Jahre alte Syrer aber deutlich, dass er sich in dem Fall selbst als Opfer sieht. Er sei von einem Bekannten dazu gezwungen worden, bei dessen Tatplan zu helfen, sagte der Angeklagte. Der Mann, ebenfalls Syrer, habe ihm angedroht, seiner Familie etwas anzutun, falls er ihm nicht helfe. Der Beschuldigte kann sich zu diesen Vorwürfen aber nicht mehr äußern: Er hat Anfang August in der Untersuchungshaft in Kempten Suizid begangen. Zuvor hatte er bei der Polizei zwar gestanden, den Raub aus Geldnot geplant zu haben. Für die Ausführung in der Wohnung sei aber der nun Angeklagte verantwortlich gewesen.
Der 29-Jährige gab dagegen vor Gericht an, er sei „benutzt und ausgenutzt“worden. Er sei nie in der Wohnung des Opfers gewesen. Der inzwischen tote Beschuldigte habe bei dem Raub aber seine Handschuhe mitgenommen, weshalb seine eigenen DNA-Spuren am Tatort gefunden wurden.