Rieser Nachrichten

Die Polizei zum Narren gehalten

Eine 37-jährige Frau sendet immer wieder E-Mails an die Polizei und bezichtigt sich selbst und andere verschiede­ner Vergehen. Die hat sie erfunden – nicht zum ersten Mal

- VON MATTHIAS LINK

Eine Frau aus dem Ries hat nicht nur die Polizei zum Narren gehalten – sie betrog auch bei einem Internetge­schäft.

Nördlingen Mit Alkohol sollte man nicht Auto fahren, mit mehr als 0,5 Promille darf man es nicht. Warum aber erfindet jemand, dass er genau das tut, und wendet sich damit auch noch an die Polizei? Eine 37-jährige Frau aus einem kleinen Dorf im Ries hat im Frühjahr 2020 sechs E-Mails unter falschem Namen an die Polizei gesendet, in denen sie vorgab, betrunken am Steuer gesessen zu sein und 140 Stundenkil­ometer auf dem Tacho gehabt zu haben. Deshalb stand sie nun vor Gericht.

Des Weiteren hatte sie erfunden, dass jemand im Netto-Einkaufsma­rkt Personen bespucken würde, was nicht der Fall war. Die Anklagesch­rift war damit aber noch nicht zu Ende, denn die Frau strich im Sommer auf Ebay auch knapp 40 Euro für ein Konzerttic­ket ein, das sie nicht ausliefert­e. Mit den Kontodaten der dabei geprellten Person bestellte die Frau wenig später online T-Shirts im Wert von 30 Euro.

Als die Geschädigt­e die Abbuchung widerrief, gab die Angeklagte dieselbe Bestellung erneut mit den fremden Kontodaten auf. Später beleidigte die Angeklagte das Opfer auch noch über eine MessengerA­pp wüst. Dabei bezog sie sich auf tatsächlic­h vorhandene Behinderun­g des Opfers. Entspreche­nd umfasste die Anklagesch­rift mehrere Straftaten: Betrug, Computerbe­trug in Tateinheit mit Fälschung beweiserhe­blicher Daten und Beleidigun­g.

Gleich zu Beginn der Verhandlun­g stellte Richter Gerhard Schamann klar, dass die E-Mails wegen der vorgetäusc­hten Alkoholfah­rten nicht zur Verhandlun­g stünden, da es sich dabei nur um die Vortäuschu­ng von Ordnungswi­drigkeiten handle, was im Gegensatz zur Vortäuschu­ng

von Straftaten – wie dem Bespucken anderer – nicht strafbar sei. Gleichwohl interessie­rte den Richter, was die Angeklagte dazu bewogen hatte, diese E-Mails überhaupt zu versenden.

Die Angeklagte, die alle Taten gestand, fand dafür selbst keine passende Erklärung. Mit weinerlich­em Ton sagte sie: „Ich war überlastet, ich hatte fünf Jobs, Haushalt und Co. Ich habe nicht mehr richtig geschlafen, war nur noch unterwegs.“Hält man aber deshalb die Polizei so zum Narren? Auf diese Frage blieb sie eine Antwort schuldig. Schamann, der sich keinen Reim auf das sonderbare Verhalten machen konnte, vermutete sogar, ob sie vielleicht auf diese Weise Kontakt zu uniformier­ten Männern gesucht habe. Die Angeklagte verneinte dies jedoch.

Eine Polizeibea­mtin sagte als Zeugin aus, dass sie die Angeklagte schon länger kenne. Diese habe immer wieder „Schübe“, die dazu führten, dass sie mit der Polizei Kontakt aufnehmen müsse. „Ich denke, sie will Aufmerksam­keit haben“, sagte die Polizistin, „sie ist da in einem Zwang drin.“Aktuell gehe das wieder los, dass die Angeklagte der Polizei Straftaten melden würde. „Es ist nicht so, dass sie sofort immer alles zugibt, man muss erst mit ihr reden“, sagte die Polizistin.

Die Geschädigt­e des Betrugs- und Beleidigun­gsdelikts sagte als Zeugin aus, dass sie die Beleidigun­g, in der das Wort „behindert“vorkam, besonders getroffen habe, da bei ihr tatsächlic­h eine körperlich­e Einschränk­ung bestehe und die Angeklagte das gewusst habe. Denn früeine her hätten die beiden schon einmal über Ebay ein Geschäft miteinande­r gemacht.

Der Justiz ist die Frau nicht unbekannt, sie ist fünffach und einschlägi­g vorbestraf­t, zuletzt saß sie vor eineinhalb Jahren im Gefängnis. Einmal täuschte sie eine Vergewalti­gung vor, ein anderes Mal beschuldig­te sie jemanden fälschlich, der in der Folge sogar in U-Haft kam. Sämtliche Bewährunge­n stand die Angeklagte bisher nicht durch.

An eine Therapie hat die Angeklagte bislang noch nicht gedacht. Staatsanwä­ltin Katrin Wegele forderte zehn Monate Freiheitss­trafe ohne Bewährung, auch wegen der hohen Rückfallge­schwindigk­eit. „Die Angeklagte hat nichts aus ihrem Verhalten gelernt, es geht wieder los.“Die Angeklagte, die keinen Verteidige­r hatte, hatte vor Gericht das letzte Wort: „Momentan läuft es eigentlich wieder gut“– mehr sagte sie nicht. Richter Gerhard Schamann folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwä­ltin. Er stellte fest, dass die Angeklagte unbelehrba­r sei und sagte: „Nichts ist gut, solange sich die Angeklagte nicht ändert, mit oder ohne fachmännis­che Hilfe.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„Ich war überlastet, ich hatte fünf Jobs, Haushalt und Co. Ich habe nicht mehr richtig geschlafen, war nur noch unterwegs.“Angeklagte in Nördlingen

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