Ein Jahr gewonnen
Die Ausbildung in Bayern zum staatlich anerkannten Erzieher wird ab kommendem Herbst verkürzt und umstrukturiert. Was die Motivation für diese Entscheidung war und wie Träger und Kritiker den Schritt bewerten
Augsburg Wer in Bayern bislang Erzieherin oder Erzieher werden und zum Beispiel in einer Krippe, einer Kita oder einem Hort arbeiten wollte, der musste bis dato eine besonders lange Ausbildung absolvieren – vor allem im Vergleich zu vielen anderen Berufen und Branchen im Freistaat. Dauert die Lehre der Friseure, der Arzthelfer oder der Schreiner üblicherweise drei Lehrjahre, waren es bei den Erziehern bisher fünf. Doch das soll sich nun ändern.
Wie das bayerische Kultus- und das bayerische Sozialministerium jetzt bekannt gegeben haben, wird die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher im Freistaat verkürzt beziehungsweise umstrukturiert – und das vielerorts bereits ab kommendem Herbst. Dabei geht es im Wesentlichen um drei zentrale Aspekte, die sich verändern werden, wie die Ministerien auf Nachfrage erklären: Erstens dauert die klassische Ausbildung anstatt fünf nun nur noch vier Jahre. Zweitens werden die finanziellen Anreize erhöht. Drittens wird der direkte Einstieg in die Erzieherausbildung ermöglicht. Dieser steht dann vor allem Personen mit Hochschulreife oder Quereinsteigern mit Mittlerer Reife und einer abgeschlossenen Berufsausbildung offen und dauert drei Jahre (weitere Änderungen siehe Infokasten). Doch wozu soll das überhaupt gut sein?
Mehrere Studien und Untersuchungen in Deutschland haben ergeben, dass der Erziehermangel bayern- wie bundesweit massiv ist. Laut einer Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung beispielsweise arbeiten rund 90 Prozent der Einrichtungen wie Krippen oder Kindergärten mit zu wenig Personal. Und der Mangel verschärft sich weiter: Laut Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts fehlen allein im Freistaat bis 2023 rund 30 000 Erzieher und Kinderpfleger.
Das Problem ist im Sozial- wie im Kultusministerium bekannt. Genau deshalb habe man sich auch für die Verkürzung der Ausbildung entschieden, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Man wolle die Attraktivität der Ausbildung steigern, um mehr Nachwuchskräfte in den Beruf zu locken. Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) erklärte: „Wir passen die Ausbildung an die Erwartungen junger Menschen an die heutige Arbeitswelt an. Das ist ein wichtiger Baustein, um den Fachkräftemangel im Bereich der Kindertagesbetreuung zu mindern.“Doch wie kommen die Veränderungen in der Praxis an? Was sagen Arbeitgeber, Ausbilder und Erzieher dazu?
Zumindest auf Trägerseite heiße man die Entscheidung gut, erklären Gabriele Kaufmann und Irmgard Löffler vom Fachbereich Kindertageseinrichtungen der Caritas München. „Aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive begrüßen wir das“, sagt Kaufmann. „Ich denke, die fünfjährige Ausbildung hat einige potenzielle Bewerber abgeschreckt – besonders junge Männer. Wir erhoffen uns, dass sich jetzt mehr junge Leute für diesen Weg entscheiden.“Zumal die Qualität der Ausbildung gleich hoch bleiben soll, betonen sie. „Das war uns sehr wichtig.“
Zuversichtlich sei man auch aus Arbeitnehmersicht, erklärt Mario Schwandt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW). „Wir sind einverstanden mit den Änderungen und wir haben uns an dem Entscheidungsprozess gut beteiligt gefühlt“, sagt er. „Doch wir sehen auch einige Schwierigkeiten.“Als Beispiel nennt Schwandt, dass die Umstellung und die Übergangsphase für die Träger zu einem Problem werden könnte, da die neue Ausbildungsform vielerorts bereits ab kommenden Herbst gelten soll. Auch eine Leiterin einer Kindertagesstätte, die sich anonym an unsere Redaktion gewandt hat, sieht Probleme. Sie findet etwa bedenklich, dass der Anteil der Theorie gleich bleibt, die Tage, die die Auszubildenden in der Einrichtung verbringen, aber weniger werden.
Von solchen Bedenken weiß auch Doris Rauscher, familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Vorsitzende des Familienausschusses und selbst ausgebildete Erzieherin. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt sie: „An sich finde ich die Entscheidung, die Ausbildung zu verändern, vom Grundsatz her positiv. Mir war der Weg dorthin seitens der Ministerien aber zu intransparent – und auch die Maßnahmen gehen mir nicht weit genug.“Statt einer Umstrukturierung der Ausbildungszeit fordert Rauscher zusätzlich eine Modernisierung der Lehrinhalte. „Das Leben der Kinder und der Arbeitsalltag der Erzieher haben sich in den vergangenen Jahren doch völlig verändert. Das muss auch in der Ausbildung berücksichtigt werden“, betont Rauscher. »Kommentar