Auf die CSU ist Verlass
Menschen lieben Rituale, und einige davon sind ja auch wirklich nett: Brautstraußwerfen, Ostereiersuchen, Absackertrinken. Andere sind eher von Gewinnstreben geprägt: Schlussverkauf, Valentinstag, Oktoberfest. Und wieder andere können ziemlich gruselig sein: Haberfeldtreiben, Halloween, Leichenschmaus – seit einiger Zeit auch Pressekonferenzen des Robert-Koch-Instituts.
Höchst aufschlussreich sind unter soziologischen Gesichtspunkten jene Phasen, in denen mit Ritualen gebrochen wird. So ist es nicht nur der Gender-Debatte, sondern eben auch der Pandemie zu verdanken, dass neuerdings vor dem Fernseher nicht nur über Frauen-Outfits, sondern auch über Männerfrisuren geredet wird. Bis vor kurzem hatte Toni Hofreiter auf diesem Gebiet ein Alleinstellungsmerkmal. Diese Woche hieß es vermutlich vieltausendfach in deutschen Wohnzimmern: „Ja, da schau her, jetzt war er beim Friseur, der Söder.“Ein Durchbruch hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit ist das zwar noch nicht, aber immerhin ein klitzekleiner Schritt.
Dass derlei minimale Fortschritte die coronabedingten Verluste an Ritualen (Händeschütteln, Abtanzen, Feiern, Bierzeltgaudi) nicht aufwiegen, ist vielfach beklagt worden. Das Virus hat ein tief klaffendes Loch in den Spaß geschlagen, den Rituale zu bieten haben. Nur noch Impfen und Testen, Lockdown hoch und Lockdown runter.
Einzig auf die CSU ist Verlass. Dort wird gerade in klassisch ritualhafter Weise versucht, eine Affäre klein zu halten: Einzelfälle, Unschuldsvermutung, kein Generalverdacht und selbstverständlich lückenlose Aufklärung. Wenn’s nicht so ärgerlich wäre, könnte man fast sagen: Endlich mal wieder ein altvertrautes Ritual.