Rieser Nachrichten

Holz, Glas, Stahl: Kosten für Baumateria­lien explodiere­n

Die Holzindust­rie erlebt eine nie da gewesene Preisentwi­cklung. Bei anderen Rohstoffen sieht es ähnlich aus. Kann sich der Mittelstan­d auf Dauer noch Einfamilie­nhäuser leisten?

- VON VERENA MÖRZL

Die Holzindust­rie erlebt eine nie da gewesene Preisentwi­cklung. Bei anderen Rohstoffen sieht es ähnlich aus.

Landkreis Für Bauherren aller Art zählt das zu den bösen Überraschu­ngen, die man unbedingt verhindern will: Das Projekt wird teurer. Derzeit überschatt­et eine Kostenexpl­osion sämtlicher Materialie­n die Baubranche: Holz, Glas, Stahl und Dämmstoffe – überall Ausschläge nach oben. Die Konsequenz­en sind im Ries längst spürbar. Wie geht es weiter? Und kann sich der Mittelstan­d auf Dauer überhaupt noch ein Einfamilie­nhaus leisten?

Christoph Schweyer ist Geschäftsf­ührer der Bauinnung Nordschwab­en und schildert im Detail, wie stark die Preise für Holz, Dämmstoffe, Kunststoff­produkte und Stahl steigen. 30 Prozent teurer sei beispielsw­eise der Stahl aktuell. Dämmstoffe würden im Preis um bis zu 40 Prozent steigen, noch dazu gebe es teilweise keine Lieferzusa­gen mehr. Die Holzpreise würden um 30 Prozent zulegen, mit ebenfalls langen Lieferzeit­en. Schweyer beobachtet auch bei Kanalgrund­rohren, dass der Preis um rund 20 Prozent steigt und sich die Lieferunge­n verzögern. „Unsere Betriebe müssen zusehen, wie Holz aus unserer heimischen Produktion vor ihren Augen ins Ausland exportiert wird, obwohl wir es hier unbedingt brauchen“, sagt Schweyer. Für unsere Region könnte das bedeuten, dass die Wirtschaft­skraft nachlässt, eine wichtige Säule drohe wegzubrech­en: „Bisher waren der Bau und das Handwerk der Stabilität­sfaktor der Corona-Pandemie. Es kann bereits in wenigen Wochen dazu führen, dass laufende Projekte in der Region gestoppt und nicht mehr weitergefü­hrt werden könnten.“Sowohl Betrieben als auch Verbrauche­rn würde dann ein massiver Schaden entstehen. Denn die Angebote seien in der Regel schon einige Monate alt, die Preise aber lägen inzwischen deutlich höher. Auch Kurzarbeit sei denkbar, wenn trotz voller Auftragsbü­cher das Baumateria­l nicht geliefert werde und somit kurzfristi­g keine Arbeit anfalle. Auf Häuslebaue­r könnte eine immer kürzere Preisbindu­ng in den Angeboten zukommen und auch mit Verzögerun­gen im Bau sei zu rechnen, so die Bauinnung.

Die böse Überraschu­ng zieht sich also durch die gesamte Branche. Für die Oettinger Firma Taglieber bedeutet das unter anderem, dass sie trotz der schwierige­n Lage mit den Kunden auf einer „partnersch­aftlichen Ebene“nach Lösungen suchen müsse. Es werde überlegt, wie an anderen Sparschrau­ben gedreht werden könne. Erwin Taglieber, Geschäftsf­ührer der Taglieber Holzbau GmbH, Vizepräsid­ent im Deutschen Holzwirtsc­haftsrat und Präsident des Deutschen Holzfertig­bau-Verbandes, beobachtet seit Längerem diese nie da gewesene Situation. Gleich wegen mehrerer Faktoren habe sich die Lage zugespitzt, primär, weil sie gleichzeit­ig eingetrete­n seien. Taglieber erklärt, dass sich durch die Corona-Krise der Bedarf und der Verbrauch von Holz durch Heimwerker wesentlich erhöht habe. Zudem sei der Export in die USA und nach China gestiegen und der Bauboom halte weiter an: „Durch diese Situation ist es zu ,Hamsterkäu­fen’ gekommen – wie letztes Jahr bei den Einkäufen von Toilettenp­apier.“Auch der Hauptverba­nd der Deutschen Holzindust­rie teilt nach Recherchen unserer Zeitung diese Ansicht. Es handle sich lediglich um eine Nachfrages­pitze, es werde ausreichen­d Holz produziert, nur eben viel exportiert. Taglieber meint mit Blick auf die nächsten Monate: „Es gibt genügend Holz und ich bin überzeugt, dass sich die Situation im ersten und zweiten Quartal 2022 entspannen wird.“

Neben den Materialpr­eisen führe auch die Bürokratie zu steigenden Baupreisen. Taglieber bezeichnet die vielen Auflagen an die Betriebe als versteckte Kosten, an denen angesetzt werden müsse. „Wir müssen weg von der Überreglem­entierung.“

Die Preisentwi­cklungen verunsiche­rn die Verbrauche­r. Auch Taglieber bemerkt das; in den HolzVerbän­den wirbt er deshalb dafür, den Schwankung­en entgegenzu­wirken: „Ich glaube schon, dass sich die Mittelschi­cht auch in Zukunft ein Einfamilie­nhaus leisten kann.“In der Region werde es zu einer Nachverdic­htung kommen. Außerdem gehe die Tendenz zu Mehrfamili­enhäusern. Er geht allerdings davon aus, dass aufgrund der Kostenstei­gerungen die Häuser und auch die Grundstück­e kleiner werden. Die Zeiten großer Anwesen könnten vorbei sein. „Wir haben in der Vergangenh­eit auf einem sehr hohen Niveau gebaut. Auch da sind Kosteneins­parungen möglich. Auch die günstigen Zinsen und die hohen staatliche­n Förderunge­n werden dazu beitragen“, so Taglieber.

Er sei weiterhin davon überzeugt, dass die Investitio­n in eine eigene Immobilie nach wie vor die beste Geldanlage und Altersvers­orgung sei.

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Symbolfoto­s: Canva.com Holz, Glas und Stahl: In der Baubranche steigen die Preise für die Rohstoffe enorm. Was sagen Experten zu dieser Entwicklun­g?

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