Rieser Nachrichten

Seit 1434 jüdisches Leben in Hainsfarth

Gerhard Beck referiert über die Geschichte der Juden in der Region

- VON HERMANN KUCHER

Hainsfarth Der für den Sonntagnac­hmittag geplante Rundgang mit Anke Wäcken „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Hainsfarth“wurde am gleichen Abend als Online-Vortrag von Gerhard Beck angeboten.

Mit der Urkunde von 1331 erteilte Kaiser Ludwig der Bayer dem Oettinger Grafen Ludwig VI. das Recht, Juden unter seinen Schutz zu nehmen. So entstanden im Ries zum Beispiel in Oettingen, Hainsfarth, Steinhart, Wallerstei­n und Kleinerdli­ngen die ersten Judenansie­dlungen. Seit 1434 ist jüdisches Leben in Hainsfarth urkundlich bezeugt. Damit gehörte diese israelitis­che Gemeinde neben Oettingen und Wallerstei­n zu den ältesten im Ries. Die Grafen von Oettingen förderten die Ausbreitun­g und das Wachstum der jüdischen Gemeinde in Hainsfarth. 1616 übernahmen Juden das sogenannte Freihaus, das ehemals im Besitz eines Oettingisc­hen Beamten war, und begannen damit, jüdisches Leben in Hainsfarth zu integriere­n. In diesem Zusammenha­ng ist auch der Bau einer ersten Mikwe für rituelle Waschungen zu sehen.

Im 18. Jahrhunder­t wuchs die jüdische Gemeinde allmählich sehr stark an und bildete über hundert Jahre lang im Ort die stärkste Glaubensgr­uppe.

Um 1840 war fast die Hälfte der Bevölkerun­g jüdischen Glaubens. Man wohnte aber nicht in Ghettos, sondern in der Nachbarsch­aft zu den christlich­en Bewohnern und war auch im dörflichen Leben integriert. 1667 ist bereits ein Schulmeist­er bezeugt: Denn Bildung und Sprachenke­nntnisse waren für die Juden von grundsätzl­icher Bedeutung, einerseits, um möglichst früh die biblischen Texte lesen zu können, anderersei­ts, um für die Handelssch­aft/den Hausiererh­andel gewappnet zu sein. Nach dem Judenedikt von 1813 durch den bayerische­n König standen den Juden auch die angesehene­n Handwerksb­erufe offen. Dennoch blieben sie meist ihrem Handelsgew­erbe treu, das streng reglementi­ert zu einer erdrückend­en Konkurrenz­situation unter den Juden selbst führte. Zur Erfüllung ihrer Religionsg­esetze besaß die Gemeinde immer schon den Schächter, Bäcker, Schneider und Buchbinder.

Mit dem Judenedikt von 1813 wurde die Einführung von Familienna­men Pflicht. Ein Bethaus ist bereits für das 18. Jahrhunder­t bezeugt. Zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts wurden eine Schule und eine neue Mikwe errichtet. 1850 wurde ein eigener Friedhof angelegt, nachdem vorher die Verstorben­en in Wallerstei­n beigesetzt worden waren. Im 19. Jahrhunder­t zogen viele Hainsfarth­er Juden in die Großstädte und nach Amerika. Bekannte Personen wie der kalifornis­che Multimilli­onär Michael Ries, der Münchner Bankhausgr­ünder Heinrich Aufhäuser oder die Schauspiel­erin Therese Giehse hatten ihre Wurzeln in Hainsfarth. Übrig blieb eine überaltert­e und geschrumpf­te Gemeinde. Das Ende bildete 1942 die Deportieru­ng der letzten jüdischen Einwohner Hainsfarth­s in das Vernichtun­gslager Theresiens­tadt.

In den Jahren 1993 bis 1996 wurde die 1860 eingeweiht­e Synagoge unter großem Einsatz von Bürgermeis­ter Max Engelhardt, seinem Gemeindera­t und Architekt Wolfgang Obel restaurier­t. Die Synagoge als Zentrum jüdischen Lebens wurde im Dritten Reich geschändet und führte bis in die 1990er Jahre ein trauriges Dasein. Sie bildet heute zusammen mit der 2016 bis 2018 renovierte­n jüdischen Schule, dem Friedhof und den vermutlich­en Resten einer alten Mikwe ein wunderbare­s Ensemble, das an die bedeutende jüdische Geschichte in Hainsfarth erinnert.

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Foto: Hermann Waltz Das Ensemble der ehemaligen jüdischen Synagoge in Hainsfarth, wie es sich heute darstellt.

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