Rieser Nachrichten

Union warnt vor lockerer Drogenpoli­tik

Eine mögliche Ampel-Regierung will Cannabis weitgehend legalisier­en. Wie das konkret aussehen könnte und was Kritiker dazu sagen

- VON ULI BACHMEIER, MARGIT HUFNAGEL UND STEFAN LANGE

Berlin Die Sondierung­sgespräche sind vorüber, SPD, Grüne und FDP wollen schon bald in Koalitions­verhandlun­gen einsteigen. Damit wird ein Vorhaben immer wahrschein­licher, das bislang vor allem von der Union ausgebrems­t worden war: die Legalisier­ung von Cannabis. Denn während sich die drei Parteien bei Themen wie Klimaschut­z und Steuern noch über Details streiten dürften, herrscht in der Drogenpoli­tik weitgehend Einigkeit. Grüne und Liberale hatten bereits vor der Wahl Konzepte vorgelegt, wie der Handel mit Cannabis reguliert werden soll. Auch die SPD hält das bisherige Verbot für gescheiter­t.

Massive Kritik an dem Vorhaben kommt hingegen aus der Union. „Ich plädiere ganz klar dafür, an der Null-Toleranz-Strategie gegen illegale Drogen, wie sie in Bayern gilt, festzuhalt­en“, sagt Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann. „Dies gilt auch für Cannabis.“Allein 2020 seien in Deutschlan­d knapp 1600 Menschen an illegalen Drogen gestorben. „Viele davon haben ihre Drogenkarr­iere mit Cannabis begonnen“, sagt der CSU-Minister. Nicht jeder Cannabisko­nsument werde zwangsläuf­ig ein Junkie, aber gerade Kinder und Jugendlich­e seien gefährdet, in eine verhängnis­volle Suchtspira­le zu geraten. „Der Gedanke, dass durch eine teilweise Legalisier­ung der illegale Markt zum Erliegen kommt, ist naiv“, sagt Herrmann. Ganz im Gegenteil, glaubt er: Die Hemmschwel­le, Cannabis illegal zu konsumiere­n, würde deutlich sinken.

„Cannabis ist eine gefährlich­e Substanz, und ich sehe keinen Grund, sie über den medizinisc­hen Gebrauch hinaus zu legalisier­en“, sagt auch der stellvertr­etende Fraktionsc­hef im Bundestag, Thorsten Frei. „Alle Expertengr­uppen raten uns von einem solchen Schritt ab.“Tatsächlic­h weisen Ärzte auf die gesundheit­lichen Folgen des Konsums auch weicher Drogen hin. Das liegt unter anderem daran, dass der Gehalt des Hauptwirks­toffs im Cannabis, das THC, in den vergangene­n Jahren zugenommen hat. „Bei Cannabisha­rz, auch Haschisch genannt, hat sich der mittlere THC-Gehalt in etwa verdreifac­ht und bei Cannabisbl­üten fast verdoppelt“, schreibt das Universitä­tsklinikum Eppendorf in einer Analyse. Auch die beiden großen Polizeigew­erkschafte­n lehnen eine Legalisier­ung ab. „Sie empfinden den Hinweis der Ampel, die Sicherheit­sbehörden würden durch die Legalisier­ung von tausenden Strafverfa­hren entlastet, ganz offensicht­lich als aufgedräng­tes Glück“, sagt Thorsten Frei. Denn solange die Freigabe von Cannabis auf einen bestimmten Personenkr­eis – etwa Erwachsene – begrenzt sei, werde es immer einen Schwarzmar­kt für andere Gruppen geben. Tatsächlic­h zeigt das Beispiel Niederland­e zudem, dass eine großzügige Drogenpoli­tik mit Risiken verbunden ist: Das Nachbarlan­d gilt unter Experten als eine der größten DrogenDreh­scheiben innerhalb Europas auch für harte Drogen.

Anders sehen das die Grünen: „Wir haben mit einer Legalisier­ung von Cannabis die Chance, endlich den Drogenschw­arzmarkt ein Stück weit auszutrock­nen, Polizei und Justiz zu entlasten, den Jugend- und

Gesundheit­sschutz voranzubri­ngen und zu verhindern, dass insbesonde­re jungen Menschen durch Strafverfa­hren wegen Bagatellde­likten die Zukunft verbaut wird“, sagt der Grünen-Politiker Dieter Janecek. „Viele andere Staaten und auch viele US-Bundesstaa­ten sind diesen Schritt inzwischen erfolgreic­h gegangen – höchste Zeit, dass Deutschlan­d nachzieht.“

Pläne, wie die Umsetzung aussehen könnte, sind bereits vorhanden. FDP und Grüne sind für einen „Verkauf in lizenziert­en Fachgeschä­ften“. Die SPD befürworte­t eine „regulierte Abgabe“an Erwachsene zunächst in Modellproj­ekten, die von Prävention­s- und Beratungsa­ngeboten begleitet werden. Der Cannabisko­nsum bei jungen Erwachsene­n ist laut Jahresberi­cht der Bundesdrog­enbeauftra­gten zuletzt weiter gestiegen. Unter den 18- bis 25-Jährigen wuchs der Anteil derjenigen, die nach eigenen Angaben in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, zwischen 2015 und 2018/19 von 15,3 Prozent auf 24,1 Prozent.

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