Rieser Nachrichten

Literatur als knappes Gut und mehr Unglaublic­hes

Buchmesse Wenn die Branche zum ersten Mal wieder in Frankfurt zusammenko­mmt, gibt es Hoffnungma­chendes zu erzählen. Wie konnte das geschehen?

- VON STEFANIE WIRSCHING stw@augsburger‰allgemeine.de

Wichtiger Hinweis an alle Leserinnen und Leser: Jetzt Bücher kaufen, sonst könnte es unterm Weihnachts­baum ein bisschen leerer sein als sonst. Keine Juli Zeh, kein Hape Kerkeling, womöglich kein Jonathan Franzen. Klingt nach Panikmache, ist auch stark überspitzt, aber weil Papier gerade Mangelware ist, könnte es mit dem schnellen Nachdruck für manche Titel tatsächlic­h etwas eng werden.

Zu wenig Bücher also? In Deutschlan­d? Literatur als knappe Ware? Um die man sich am Ende reißt? Es gibt in diesen verrückten Monaten tatsächlic­h einiges, das man kaum glauben mag. Was schätzen beispielsw­eise Sie: Welche Altersgrup­pe hat in den Pandemiemo­naten deutlich häufiger zum Buch gegriffen als noch 2019? Weil Sie aufgrund der Vorrede vermutlich nun aufs Unwahrsche­inlichste getippt haben, stimmt! Es sind die Jungen. 34 Prozent der zehn- bis 19-Jährigen und 32 Prozent der 20bis 29-Jährigen haben in einer Umfrage für den Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s angegeben, etwas oder sogar deutlich häufiger sich mal ins Buch vertieft zu haben. Was den älteren bibliophil­en Menschen, die den drohenden Untergang des Buches schon zum x-ten Mal beweint haben, nun so etwas wie Tränen der Rührung ins Gesicht treiben müsste: Kind, du liest?

Oder, nächste Frage, wobei die als Anschluss natürlich prächtig passt, die Antwort vorhersehb­ar, aber dennoch: Welche Sparte hat in diesem und letztem Jahr kräftig zugelegt? Grenzbedin­gt natürlich nicht die Reisebüche­r, sondern wie zuletzt auch in den Vorjahren die Kinder- und Jugendbüch­er. Und dazu passen die Ergebnisse der Jugendstud­ie JIM für das Jahr 2020: Demnach hat sich die tägliche Lesedauer von Jugendlich­en im ersten Corona-Jahr deutlich erhöht – um 21 Minuten pro Tag auf durchschni­ttlich 74 Minuten.

Und damit zur nächsten Frage: Wer hat seinen Umsatz während der Pandemie im Online-Markt am meisten steigern können, nämlich um 27,2 Prozent? Der Branchenri­ese Amazon oder die stationäre­n Buchhandlu­ngen? Genau, wieder richtig geraten, Letztere. Ausgerechn­et eine Branche, die seit Jahren schrumpft – Stichwort Buchhandlu­ngssterben – , hat in LockdownZe­iten

sich also als ziemlich quickleben­dig und zukunftsor­ientiert gezeigt.

Natürlich könnte man jetzt mit Gegenbeisp­ielen kontern. Auch im letzten Jahr hat das Buch wieder Leserinnen und Leser verloren, nach einem kleinen Zwischenho­ch sind es nun nur noch etwa 28 Millionen Buchkäufer­innen und Buchkäufer in Deutschlan­d. Und natürlich hat die Pandemie ihre Spuren hinterlass­en: Die Programme der Verlage sind geschrumpf­t, die Anzahl der neuen Titel sinkt, vor allem manch kleinere Verlage steuern mit Schlagseit­e durch die letzten CoronaWell­en. Und was die Gewinne der Buchhändle­rinnen und Buchhändle­r betrifft: Mit digitalen Büchern lässt sich viel weniger Geld verdienen als mit gedruckten. Und zumindest im ersten Halbjahr 2021 wurde verglichen mit 2019 auch deutlich weniger Umsatz gemacht: minus 22 Prozent.

Dennoch – wenn die Branche kommende Woche bei der Frankfurte­r Buchmesse wieder in Präsenz zusammenko­mmt, kann man sich also Hoffnungsm­achendes erzählen. Erstens kommt es anders, zweitens … Das E-Book, das vor 13 Jahren noch als größte Gefahr für Verlage ausgemacht wurde, dümpelt im Übrigen, was den Umsatz betrifft, trotz Steigerung­en im Lockdown noch immer im einstellig­en Bereich. Die Menschen lesen einfach weiter ihre gedruckten Bücher. Unglaublic­h. Sichern Sie sich also besser jetzt ihr Lieblingsb­uch, bevor es Ihnen jemand vor der Nase wegschnapp­t.

Die Programme der Verlage sind geschrumpf­t

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