Die Jungen drängen auf den Neustart
Auf ihrem Deutschlandtag gibt sich die Junge Union kämpferisch. Laschet wird kritisiert, Söder noch mehr
Münster Wenn die Wut groß ist, dann darf es auch mal deftig werden. „Wir haben uns verhalten wie ein Hühnerhaufen“, sagt Tilman Kuban auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Zuvor hat der JUChef ein noch kräftigeres, wenig druckfähiges Wort benutzt, um den Zustand bei CDU und CSU zu beschreiben. In der Münsteraner Messehalle kommt das an diesem Freitagabend gut an bei den 317 Delegierten. Der Politik-Nachwuchs ist immer noch erschüttert von der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl, die jungen Frauen und Männer schütteln die Köpfe über die Älteren in der Union. CDUChef Armin Laschet steht bei ihnen in der Kritik, aus gegebenem Anlass vor allem aber der CSU-Vorsitzende Markus Söder. Immerhin: Der 65-jährige Friedrich Merz vermag noch zu begeistern.
Kuban ist der Wortführer der Wut. In seiner Rede feuert er eine Breitseite nach der anderen gegen die Unions-Führung. „Wir befinden uns in einer Lage, die man nur als beschissen bezeichnen kann“, wettert er. Die Union stehe am Scheideweg. „Werden wir noch Volkspartei sein oder stehen wir am Scheideweg wie andere Volksparteien in Europa?“
Vorwürfe auch aus den eigenen Reihen, die rund 100000 JU-Mitglieder seien nur ein Netzwerk aus Karrieristen, gehen tief unter die Haut. Kuban will sie nicht länger hinnehmen. „Wenn ihr im Wahlkampf weiter gegen uns schießt, dann könnt ihr im nächsten Wahlkampf eure Plakate selber aufhängen“, droht er und ruft seine Leute auf, sich zu engagieren. Die Zeit dafür sei so gut wie nie. „Wir wollen eine Chance haben und wir werden sie auch bekommen. Denn viele Ältere warten auf die Junge Union.“
Die Probleme skizziert die JU in einer Wahlanalyse. „Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen“, heißt es da. „Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots
die Stimme nicht gegeben.“Doch die Schuld wird nicht nur Laschet in die Schuhe geschoben. Denn in den Augen der JU waren nur „wenige im amtierenden Bundeskabinett im Wahlkampf eine wirkliche Hilfe.“Der internetaffine Polit-Nachwuchs kritisiert heftig „eine Kultur der Illoyalität und des Durchstechens von vertraulicher Kommunikation an die Presse auf Kosten der Partei“.
Der Name von Markus Söder wird da direkt nicht genannt, aber viele hier meinen ihn damit. Der bayerische Ministerpräsident hat es sich mit der JU ohnehin gründlich verscherzt: Er hat seine Teilnahme an der dreitägigen, bis Sonntag dauernden Veranstaltung abgesagt. „Wir bedauern es sehr, dass Markus Söder sich dazu entschieden hat, nicht zur Jungen Union zu kommen“, sagt Kuban. Es sei CDUChef Armin Laschet „hoch anzurechnen“, dass er sein Erscheinen zugesagt habe. „Ich hätte mir das Gleiche von Markus Söder auch gewünscht“, ergänzt der JU-Chef und es folgt ein Satz, der aufhorchen lässt. Laschet zeige „einen starken Charakter“, indem er sich am Samstag der Diskussion stelle, betont Kuban und ließ den Umkehrschluss unausgesprochen nachhallen: Söders Absage wird in der JU als charakterlos bewertet.
Der Abgeordnete Merz hingegen wird beim Deutschlandtag wie ein Popstar empfangen. Begleitet von donnernder Musik läuft der 65-Jährige in die Halle ein und verpasst der Unions-Führung gleich eine schallende Ohrfeige. „Wir haben eine historische Niederlage hinnehmen müssen“, wettert Merz und nennt als Referenzgröße das Jahr 2013. Damals habe die Union 41,5 Prozent geholt, seitdem aber über ein Drittel „unserer Wähler“verloren. „Die Union ist mit diesem Wahlergebnis ein insolvenzgefährdeter, schwerer Sanierungsfall geworden“, sagt er und fordert eine Debatte nicht über Personen, sondern über Inhalte. Dabei müsse „das christliche Menschenbild im Vordergrund stehen“, meint Merz und hält kurz inne: „Das Jahr 2021 war kein Referenzjahr im christlichen Umgang miteinander in der Union.“Das müsse besser werden. Denn es spreche „eine gewisse historische Wahrscheinlichkeit“dagegen, dass es bereits bei der nächsten Wahl einen Regierungswechsel geben werde.
„Die Union ist in den letzten Jahren in der Regierung denkfaul geworden“, legt Merz nach. Das müsse in der Opposition anders werden, sagt er, und dient sich den Jungen an: „Junge Besen kehren gut, aber die alten Bürsten kennen die Ecken.“