Sorge vor einer Flut an Fälschungen
Pandemie Immer öfter tauchen unechte Impfzertifikate und Testnachweise auf. Verschärft sich die Situation jetzt noch weiter, weil die Corona-Tests selbst bezahlt werden müssen?
Augsburg Man muss kein TechnikGenie sein, um so eine Fälschung hinzubekommen. Aus einem abgelaufenen negativen Corona-Testergebnis lässt sich mit ein paar Klicks ein aktueller 3G-Nachweis machen. PDF-Dateien sind kinderleicht zu bearbeiten, im Handumdrehen lässt sich ein anderes Datum oder ein anderer Name eintragen. Binnen Minuten hat man dann ein Dokument, das – im wahrsten Sinne – Tür und Tor öffnet: zu Restaurants, Konzerten, Museen. Kurzum: Überall dort, wo eigentlich nur diejenigen Zutritt haben, die geimpft, genesen oder negativ auf das Coronavirus getestet sind.
Bisher spielen Fälschungen – seien es nun Testnachweise oder Impfzertifikate – noch eine eher untergeordnete Rolle. Nur: Bleibt das so? Oder wird es in den kommenden Wochen immer mehr solcher Fälle geben? Schließlich müssen die Menschen jetzt für ihre Coronatests bezahlen – bislang waren sie kostenlos.
Ende Mai waren in Bayern die ersten gefälschten Impfnachweise aufgetaucht. Damals sprach das bayerische Landeskriminalamt (LKA) von einer niedrigen zweistelligen Zahl von Fällen. Anfang Oktober waren dem LKA dann bereits Fälle im niedrigen dreistelligen Bereich – unter 250 – bekannt, die im Zusammenhang mit der Fälschung von Impfpässen, Impfzertifikaten, Impfstoffetiketten oder Impfangeboten stehen, wie die Behörde auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Bei den gefälschten negativen TestNachweisen liegen die Fälle ebenfalls im niedrigen dreistelligen Bereich.
Beim LKA geht man davon aus, dass solche Vorfälle nun, mit Einführung der kostenpflichtigen Tests, zunehmen werden. Eine Einschätzung zum Ausmaß des erwarteten Anstiegs könne man aber nicht abgeben, sagt ein Sprecher des LKA. Denn Erfahrungen und Vergleichsparameter gebe es nun mal nicht.
Im bayerischen Gesundheitsministerium ist man sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass es Probleme geben könnte. „Die Bayerische Staatsregierung beobachtet die Ent
genau und wird das Thema auch beim Bund ansprechen, sollte dies notwendig sein“, sagt eine Sprecherin der Behörde gegenüber unserer Redaktion. Formulare in PDF- oder Papierform würden immer ein Fälschungspotenzial bergen, fährt sie fort. „Das Problem könnte man nur vermeiden, wenn man nur noch digitale Testnachweise über die CoronaWarn-App zulässt“, sagt sie. Doch so einfach ist das nicht. Zwar gebe es
Pflicht der Leistungserbringer, die Ergebnismitteilung auch über die Corona-Warn-App anzubieten – die getesteten Personen seien aber nicht verpflichtet, dies auch zu nutzen. Zudem verwende immer noch ein nennenswerter Bevölkerungsteil kein Smartphone.
Auch beim Gesundheitsreferat der Stadt München ist man derzeit hellhörig. Es wäre durchaus denkbar, dass es künftig zu mehr Betrugsfällen kommt, erklärt ein Sprewicklungen cher des Referats. Durch den Wegfall der Kostenübernahme bei Schnelltests werde ein – auch finanzieller – Druck erzeugt. „Dies kann dazu führen, dass sich mehr Personen für eine Impfung entscheiden – kann aber theoretisch auch zu vermehrten Betrugsfällen führen.“
Derlei Sorgen und Probleme gibt es natürlich längst nicht nur in Bayern. Ganz Deutschland ist betroffen. Seit Mitte September steigt etwa im Kreis Paderborn die Zahl der Strafeine anzeigen gegen Personen, die in Apotheken versuchen, mit gefälschten Impfpässen digitale CoronaImpfbescheinigung zu erhalten, wie die Polizei vor kurzem mitteilte. In vielen Apotheken gehört es mittlerweile zum Tagesgeschäft, gegen Vorlage eines Impfausweises den QR-Code für einen digitalen Impfnachweis zu generieren. Dabei fielen in letzter Zeit nahezu täglich gefälschte oder verfälschte Impfdokumente auf, heißt es in der Mitteilung. Die Polizei stellt solche Impfausweise sicher und geht diesen Fällen wegen Verdachts einer Urkundenfälschung nach.
Oft fliegen solche Betrüger und Betrügerinnen aber gar nicht auf. Denn die Kontrollen sind vielerorts ziemlich lasch. Ein kurzer Blick auf den Testnachweis oder den Impfpass – und schon darf man ins Restaurant. Nach dem Personalausweis, um zu bestätigen, dass das auch tatsächlich der eigene Impfpass ist, schauen nur wenige. Überprüft wird oft auch nicht, ob der QR–Code, den man da herzeigt, vielleicht nur ein Screenshot ist. Oder eben, ob bei der PDF-Datei mit dem negativen Testergebnis das Datum ausgebessert wurde.
In Berlin hat sich das Ordnungsamt Tempelhof-Schöneberg vor ein paar Wochen die Mühe gemacht, in der Gastronomie die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmeverordnung – vor allem die 3G- Regel – zu kontrollieren. Die erschreckende Bilanz: 70 Prozent der vorgelegten negativen Testbescheinigungen stellten Fälschungen dar. „Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Besucher und Besucherinnen der Gaststätten mit dem illegalen Dokument – welches vermutlich via Social Media verbreitet wird – unerlaubt Zugang in die Innengastronomie verschafft haben“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Derlei kriminelle Energie kann drastische Folgen haben. Eine Fälschung von Testnachweisen wird dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge als Urkundenfälschung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Die Ministeriumssprecherin macht deutlich: „Es handelt sich also nicht um ein Kavaliersdelikt.“