Als 260 Bäume auf dem Friedhof gepflanzt wurden
Vor 200 Jahren wurde der Nördlinger Friedhof neu gestaltet und erweitert. Er sollte ein „Englischer Garten“werden, in dem man spazieren geht.
Nördlingen Das heutige Erscheinungsbild des historischen Teils des Nördlinger Friedhofs geht zurück auf das Jahr 1822. Vor 200 Jahren wurde die damals bereits bestehende Begräbnisstätte in Richtung Stadt und Bergmühle deutlich vergrößert und neu gestaltet. Die Steine für die neue Umfassungsmauer stammten von dem in dieser Zeit abgebrochenen Vorwerk des Oberen Wasserturms.
Nach den Plänen des Rechtsrates, Geometers und späteren Bürgermeisters Friedrich Wilhelm Doppelmayr (1775 – 1844) wurde ein Netz an Fuß- und Fahrwegen angelegt, und entlang der Mauer und der Wege wurden 260 Bäume gepflanzt. Es sollte ein „Englischer Garten“geschaffen werden, „wo Lustwandelnde im Angesicht der Ewigkeit spazieren gehen und sich der Sterblichkeit erinnern können“. Wer dies beherzigt, der kann tief in die Geschichte eintauchen. Er kann aber auch viel über die Natur erfahren, ist doch der Friedhof ein Refugium für Fauna und Flora, ein Ort, an dem Pflanzen gedeihen, die es anderswo nicht mehr gibt. Beispielweise konnte festgestellt werden, dass es auf dem Nördlinger Friedhof über 70 verschiedene Arten an Moosen und Geflechten gibt, die ihrerseits für zahlreiche Tierarten die Lebensgrundlage bilden.
Ein Kleinod wie der Nördlinger Friedhof muss erhalten bleiben und gepflegt werden. Um dies zu erreichen, sind im Rahmen der Erarbeitung eines Gesamtkonzepts eine ganze Reihe von Maßnahmen initiiert worden. So sieht eine der Maßnahmen vor, aufgelassene Grabstätten mit denkmalgeschützten Grabsteinen zu Urnengemeinschaftsgräbern umzugestalten. Weiterhin liegt es in einem Friedhof mit einem alten Baumbestand nahe, sogenannte Baumgräber auszuweisen. Historisch und kunstgeschichtlich bedeutende Grabsteine sollen deshalb nicht mehr abgeräumt, sondern stehen gelassen werden, um so für eine neue Begräbnisstätte verwendet werden zu können.
Nicht zu vergessen ist die Gestaltung des Raums in Form von Themenfeldern rund um die Themen Leben, Tod und Auferstehung. 2014 konnte so eine mit Spendengeldern finanzierte Stele in Erinnerung an den über die Region hinaus bekannten Heimatdichter Michel Eberhardt (1913 – 1976) aufgestellt werden. Auf der Stele wurde ein Gedicht des Dichters eingraviert, das an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert: „Mit unsern Jahren spielt der Wind/Wir waren einmal und wir sind/Wir blühen auf und wir vergehn/Und münden ein zum Auferstehen.“
Friedhofsverwaltung, der Friedhofsausschuss des Kirchenvorstands, Historischer Verein, die ehrenamtlich Tätigen – die Zusammenarbeit dieser Gruppen sorgt dafür, den Wandel, dem die Friedhofs- und Bestattungskultur heute unterliegt, zu gestalten. All dieses Engagement wäre aber nicht möglich ohne die Spenden und Zuwendungen.
Auch der Erlös des im Buchhandel erhältlichen Friedhofsführers soll dazu beitragen.
Wer über den Nördlinger Friedhof geht, kann die Gräber von vielen Personen besuchen, die das Leben der Stadt in der Vergangenheit geprägt haben. Er kann auf seinem Rundgang in den Inschriften der Grabsteine nicht nur ausgestorbene Berufsbezeichnungen entdecken, sondern auch religiöse Symbole, Sinnsprüche und biblische Zitate. Der Besucher wird an den von der Stadt Nördlingen gepflegten Stiftungsund Ewigkeitsgräbern vorbeikommen. Diese erinnern an die Personen, die sich um das Gemeinwohl besonders verdient gemacht beziehungsweise eine Stiftung ins Leben gerufen haben.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden mehr als 900 Stiftungen getätigt, die 1828 zu den Vereinigten Wohltätigkeitsstiftungen Nördlingen zusammengefasst wurden. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist die Stiftung des königlichen Oberlandesgerichtsrats in Augsburg, Luitpold von Ammon, der 1884 verfügte, dass mit dem zum Zeitpunkt seines Todes vorhandenen Vermögen an Bargeld und Wertpapieren eine Stiftung zu errichten sei. Die jährlichen Renten dieser Stiftung sollten den überlebenden Geschwistern des Erblassers ohne Nachweis ihrer Bedürftigkeit auf Lebenszeit zur Verfügung stehen.
In der Nähe der Alten Leichenhalle aus dem Jahre 1871 befindet sich das Grab des letzten Nördlinger Stadtschreibers Georg Monninger. Im Haus Zindelgasse 4 im Jahre 1842 als Sohne eines Maurers geboren, heiratete er im Jahr 1870 Babette Geyer. Ein Jahr später, 1871, trat er als Stadtschreiber in die Dienste der Stadt. Aus seiner Feder stammen die für Nördlingen und das Ries so wichtigen Bücher „Was uns Nördlinger Häuser erzählen“und „Das Ries, wie es war und ist“. Ferner verfasste er auch einige der Einwohner- und Adressbücher, die den modernen Heimatforschern eine in vielerlei Hinsicht sehr ergiebige Quelle sind. Monninger verstarb im Jahre 1923.
In dem Jahr, in dem Monninger Nördlingens Stadtschreiber wurde, verstarb der damalige rechtskundige Bürgermeister Johannes von Teubern im Alter von nur 37 Jahren. Alexander Keßler schreibt zu seinem plötzlichen Tod: „Kriegsausbruch 1870 – plötzlicher Tod Johannes von Teuberns im Juni 1871 (…) Betreuung der durch Nördlingen kommenden Truppentransporte,
Unterbringung von Verwundeten im Nördlinger Hospital und sonstige Hilfsaktionen. In so mancher kalten Winternacht hatte er sich auf dem Bahnhof zusammen mit seiner jungen Frau um ankommende Verwundete gekümmert. Daran erinnerte sich das Nördlinger Anzeigeblatt, als Johannes von Teubern am 8. Juni 1871 nach nur dreitägigem Krankenlager einem seit einiger Zeit aufgetretenen, akut gewordenen Halsleiden im Alter von 37 Jahren erlag.“
Balthasar von Reiger, ein in der Langen Gasse 32 geborener Sohn eines Lodwebers, war 1871 einstimmig zum Nachfolger von Teuberns gewählt worden. Er wurde später nicht nur Ehrenbürger der Stadt, ihm wurde auch aufgrund seiner politischen Verdienste der persönliche Adel verliehen. Von Reiger ist nicht nur wegen seiner langen Dienstzeit von 42 Dienstjahren in die Geschichte der Stadt eingegangen. In seiner Zeit wurde Nördlingen ein gutes Stück weit modernisiert, denkt man nur an den Bau der ersten Wasserleitung (1896) sowie an die Kanalisation in den ersten Jahren nach 1900. Ein Weggenosse Reigers war Michael Wildegger. Das Grab des einstigen Stadtpfarrers und Dekans, Landtags- und Reichstagsabgeordneten Michael Wildegger (1826 – 1912) ist nicht weit von Reigers Grab entfernt. Wildegger wohnte lange Zeit in der Neubaugasse 7. Sein Name ist nicht nur in Verbindung zu bringen mit der Gründung einer Reihe von Vereinen, wie zum Beispiel des Katholischen Vereins für das Ries 1872 oder des Katholischen Gesellenvereins 1874, sondern auch mit der Gründung von Maria Stern 1868. Und nicht zuletzt geht auch der Verein für ambulante Krankenpflege auf Michael Wildeggers Wirken zurück.
Im historischen Teil des Nördlinger Friedhofs findet man eine Reihe weiterer interessanter Ruhestätten, die es wert sind, dass man kurz an ihnen verweilt. Zum Beispiel am Grab der Albertine Squindo-Heiß (1859 – 1948), der jüngeren Schwester von Joseph Guido Emil Squindo, dem hochbegabten, aber viel zu früh wohl an Tuberkulose verstorbenen Zeichner und Maler (1856 – 1887). In der Eisengasse 5 steht das Elternhaus der beiden. Hier wohnte die Familie Squindo bis zu ihrem Wegzug nach München im Jahre 1862.
Zwischenzeitlich konnten rund 25 Patenschaftsgräber vergeben werden. Diese Paten helfen mit, die historisch gewachsene Friedhofskultur in eine gute Zukunft zu führen. Fest steht: Nur mithilfe von Patenschaftsvereinbarungen wird der Friedhof in seiner überkommenen Form erhalten werden können.
Die Ewigkeitsgräber erinnern an besonders engagierte Personen
Bürgermeister Balthasar von Reiger war 42 Jahre in Nördlingen im Amt