Ein Kindergarten der kleinen Seelen
Der Verein Sterneneltern Schwaben hat für Mütter und Väter, die ihr Kind verloren haben, einen Ort der Erinnerung geschaffen. Jetzt sind alle Bäume gepflanzt.
Landkreis Donau-Ries Als eine Gruppe von Frauen und Männern aus der Region im November 2020 in der Ebene des Rieses nahe der Staatsstraße zwischen Wemding und Fessenheim einen ersten Baum pflanzte, waren die Verantwortlichen des Vereins Sterneneltern Schwaben noch recht unsicher, ob das alles klappen würde. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mütter und Väter zu unterstützen, die ihr noch un- oder neugeborenes Kind oder ihr Baby oder Kleinkind verloren haben. Daraus entstand die Idee, auf einer Wiese an besagter Stelle einen „Erinnerungswald“anzulegen, damit diese „Sternenkinder“nicht vergessen werden.
Zwei Jahre nach dem Start ist das Team um Vorsitzende AnnaMaria Böswald zutiefst gerührt: Die Fläche ist jetzt voll belegt. 141 Bäume erinnern an über 150 Kinder.
„Die Resonanz ist der Wahnsinn“, beschreibt die Tapfheimerin die Entwicklung. Das Grundstück, das dem Landkreis gehört und offiziell eine ökologische Ausgleichsfläche ist, schien mit einer Größe von zwei Hektar anfangs riesig, und die ersten Bäumchen wirkten fast schon etwas verloren.
Doch das Projekt sprach sich rasch herum. Betroffene Eltern aus dem Donau-Ries-Kreis und ganz Schwaben – aus benachbarten Regionen, aus dem Raum Augsburg und vereinzelt sogar bis aus dem Allgäu – zeigten sich angetan von der Idee, kamen ins Ries und wählten einen Apfeloder Birnbaum aus, der fortan auf dieser Wiese wachsen und gedeihen soll.
Es sei wohl die Symbolik, welche die Eltern der Sternenkinder für die Idee begeisterte. „Das ist wie ein Kindergarten“, erklärt Anna-Maria Böswald. Man sehe, wie die Bäume, an denen sich Namensschilder befinden, gemeinsam aufwachsen und Früchte tragen: „Das ist ein schöner Gedanke.“Jeder Obstbaum sei eine andere Sorte, also individuell. So wie jedes Kind einzigartig ist.
„Wir sehen ja nicht nur die Bäume, sondern auch unsere Kinder“, so die 38-Jährige. Manche Eltern und Verwandte kämen regelmäßig zu einem Picknick oder Spaziergang.
In der vorigen Woche fand auf der Wiese eine Art Abschlusstag statt. In dessen Verlauf wurden 67 Sternchenbäume in den Boden gesetzt.
Den ganzen Tag über waren Menschen vor Ort: „Es war unwahrscheinlich emotional.“Es sei
gelacht und geweint worden. „Manche Eltern waren den ganzen Tag da“, berichtet die Vorsitzende.
Durch den regen Betrieb seien viele Gespräche und Kontakte zustande gekommen. Davon könnten den Betroffenen sicher profitieren. Auch Landrat Stefan Rößle und der Alerheimer Bürgermeister Alexander Joas – der „Erinnerungswald“befindet sich auf der Flur der Gemeinde – schauten vorbei. In der Mitte der Fläche
steht nun ein Feldahorn. Der Verein nennt ihn „Baum der kleinen Seelen“. Eltern, die keinen Obstbaum mehr bekommen haben, können an dem Ahorn eine aus Holz gefertigte Feder befestigen und den Namen des Kindes darauf schreiben.
Der „Erinnerungswald“, so schildert die Sterneneltern-Vorsitzende, habe viele andere Initiativen in Deutschland inspiriert, ähnliche Projekte zu verwirklichen: „Wir haben immer wieder
Anrufe erhalten.“Auf dem Gelände im Ries sei „alles sehr hochwertig“, freut sich Anna-Maria Böswald. Mit dem Landkreis sei vereinbart, dass sich dieser in jedem Fall zehn Jahre lang um die Streuobstwiese kümmert, die Bäume pflegt und vor Verbiss und Schädlingen schützt.
Vielleicht gebe es die Möglichkeit, den „Erinnerungswald“zu erweitern, so die Vorsitzende. Diesbezüglich habe man beim Kreis schon vorgefühlt.