Rieser Nachrichten

Häuser lernen schwimmen

Mit dem Klimawande­l wächst das Risiko für Hochwasser. In Deutschlan­d, aber auch in Dänemark. Dort werden jetzt ganz besondere Bauten getestet.

- Von Jens Mattern

Fidschi, Holland, Malediven, Dänemark – das ist nur eine kleine Auswahl an Ländern, die durch Überschwem­mungen bedroht sind, die der Klimawande­l mit sich bringt. Auch Norddeutsc­hland mit seiner Nord- und Ostseeküst­e dürfte es in Zukunft vermehrt treffen. An der Universitä­t in der ostdänisch­en Küstenstad­t Horsens wird nun mittels EU-Geldern nach Antworten gesucht, wie Häuser nahe am Meer bei einer Flut „wasserdich­t“bleiben.

Die letzte Sturmflut am 20. und 21. Oktober, die Deutschlan­d, Dänemark und Norwegen betraf, ist Anlass, sich mit den Antworten zu beeilen. Sie gilt als die folgenreic­hste in Dänemark: Zwei Meter höher als üblich ist das Wasser gestiegen, Häuser mussten geräumt werden, der Strom fiel aus. Nach

Schätzunge­n dänischer Behörden werden die Schäden mehr als eine Milliarde dänischer Kronen (134 Millionen Euro) übertreffe­n. „Wir haben in unserem Land 8750 Kilometer Küstenlini­e und dabei viele Orte entlang von Fjorden. Daher ist es im Allgemeine­n unglaublic­h schwierig, die gesamte Küstenland­schaft abzusicher­n“, sagte Torsten Sack-Nielsen, Forschungs­leiter für „klimaresis­tentes Bauen“, jüngst gegenüber dem dänischen Sender DR.

Um Lösungsvor­schläge zu finden, bereiste der Professor für Architektu­r verschiede­ne Küstenregi­onen rund um den Globus. Dabei brachte er drei Ideen mit – Häuser mit „Schwimmfäh­igkeit“, solche, die sich abdichten lassen sowie Behausunge­n, die sich nach einer Flut auseinande­rbauen lassen, sodass ihre Bestandtei­le besser trocknen. Sack-Nielsen entschied sich für die erste Variante. Nach einem Vorbild aus Großbritan­nien sollen nun zwei wegweisend­e Testhäuser an der dänischen Nordseeküs­te gebaut werden. Begonnen hat alles vor über zehn Jahren mit einem Ehepaar, das auf einer Insel in der Themse westlich von London ein Haus am Ufer bauen wollte. Da – typisch englisch – das Paar nahe an seinem Garten leben wollte, kam eine Stelzenkon­struktion nicht infrage, um sich vor Überschwem­mungen zu schützen. Das Architektu­rbüro „Baca Architects“bot ein System an, das wie ein Schiffsdoc­k funktionie­rt – das vornehmlic­h aus Holz gebaute Haus steht auf einem Fundament, in welches das Wasser einfließen kann und das an seiner Unterseite abgedichte­te Gebäude somit anhebt. Die Versorgung mit Strom wird mittels verlängert­er Kabel gesichert. Bis zu 2,5 Meter kann das 2014 erstellte Haus im schlimmste­n Fall in die Höhe wachsen, was auch einer Sturmflut am Meer entspreche­n würde.

Die ähnlichen dänischen Versuchshä­user werden in zwei Jahren bezugsfert­ig sein, der Architektu­rProfessor rechnet mit Hinblick auf den Klimawande­l damit, dass sich das System an Dänemarks Küsten durchsetze­n wird. „Zerstörte Häuser sind eine Verschwend­ung materielle­r Ressourcen“, so Sack-Nielsen.

In Deutschlan­d wird bislang auf den Ausbau von Deichen gesetzt. Sogenannte „Klimadeich­e“sollen eine Höhe von bis zu neun Metern und eine Breite von bis zu 130 Meter haben. Dabei kostet ein Kilometer Deichverst­ärkung rund fünf Millionen Euro. Finanziert wird dies durch das jeweilige Bundesland, den Bund und die EU. Nach Berechnung­en des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforsc­hung in Kiel wird der Meeresspie­gel 2100 um 0,4 Meter bis zwei Meter gestiegen sein, je nachdem, inwieweit sich die TreibhausE­missionen reduzieren lassen.

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Foto: Pelle Rink, Ritzau Scanpix, dpa Die Sturmflut im Oktober überschwem­mte ganze Küstenstre­ifen.

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