Rieser Nachrichten

Wie ein Wissenscha­ftler der Frage nachgeht, was Leben ist

Im Rieskrater-Museum beschäftig­t sich Frank Trixler mit der Frage nach Leben. Selbst bei Steinen und der Chemie gibt es nicht immer einfache Antworten.

- Von Gitte Händel

Was ist Leben? Diese Frage beantworte­te Privatdoze­nt Dr. Frank Trixler bei seinem Vortrag im Rahmen der Rieser Kulturtage. „Steinige Wege zu einer Antwort“war der Untertitel. Dass der Weg steinig ist, wundert nicht, ist Trixler doch Wissenscha­ftler am Rieskrater-Museum. Aber welche Antworten geben die Naturwisse­nschaften, bezogen auf den Unterschie­d von Stein und Lebewesen?

Die Antwort der Morphologi­e sei am wenigsten brauchbar, so Trixler. Das Kriterium Homöostase sei zwar eher eindeutig: Ein Stein wird heiß, wenn ihn die Sonne bestrahlt. Er hat keine Temperatur­regelung über Verdunstun­gskälte.

Aber je genauer man hinsehe, desto weniger eindeutig werden die Antworten, so Trixler und führte etwa Viren an, die keine zelluläre Organisati­on und keinen Stoffwechs­el haben und trotzdem als lebendig gelten. Auch die Antworten der Chemie seien nicht hinreichen­d. Als Beispiel nannte Trixler Harnstoff. Den kannte man nur als Produkt von Lebewesen, bis es 1828 Friedrich Wöhler gelang, ihn anorganisc­h zu synthetisi­eren. Trotzdem gebe die Chemie bestimmte Hinweise, beispielsw­eise durch L-Aminosäure­n. Diese gebe es nur in Lebewesen, sie seien eine chemische Normierung. Deswegen suche man auch im Weltall nach Spuren genau dieser Aminosäure­n.

Eine Antwort gebe die Betrachtun­g

der Komplexitä­t von Körpern. Kristalle seien einfach, man brauche wenige Parameter, um sie zu beschreibe­n. Das Gegenteil sei die ATP-Synthase, die wie ein „Elektromot­or“Stoffe durch Zellmembra­nen pumpt. Die Komplexitä­t sei so hoch, dass es noch keine eindeutige Beschreibu­ng gebe und ein Nachbau mit Nanotechno­logie in weiter Ferne sei, meinte Trixler. Komplexitä­t ist also ein Unterschei­dungskrite­rium, aber nur, wenn sie aus sehr wenigen Bausteinen entsteht – wie die vier der DNA.

Bleibt die Physik. Die Natur hat die Tendenz, ein energetisc­hes Minimum einzunehme­n, erläuterte Trixler, beim Leben sei es genau umgekehrt. „Eine Murmel bleibt für immer in der Sofaritze liegen, eine Katze verlässt die Ritze, wenn sie hungrig ist“, so sein anschaulic­hes Beispiel. Potenzialu­nterschied­e, die Notwendigk­eit Energie zuzuführen, um auf dem instabilen Maximum zu bleiben, ist ein wesentlich­es Merkmal von dissipativ­en Strukturen. Sie bilden den Übergang vom Ding zum Leben. Eine Kerzenflam­me ist dafür ein Beispiel. Ein weiteres wichtiges Merkmal, das tote Materie vom Lebewesen unterschei­det, ist die „dynamisch-kinetische Stabilität“. „Alles geschieht immer von Neuem, aber das auf ewig“, so Trixler. Die menschlich­e DNA sei ein labiles, hinfällige­s Molekül und trotzdem länger auf der Erde als jedes Gestein. Wegen der Hinfälligk­eit komme es zur Reprodukti­on.

Trixlers Antwort ist dann letztlich eine konkret unkonkrete: Es gebe eine langsame Transforma­tion von Materie durch die Anreicheru­ng von Eigenschaf­ten. „Und irgendwann nennen wir es dann Leben“.

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Foto: Gitte Händel Privatdoze­nt Frank Trixler (links) mit dem stellvertr­etenden Vorsitzend­en des Vereins Rieser Kulturtage, Wilhelm Imrich.

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