Juncker erhält Karls-Preis der Sudetendeutschen
Die Landsmannschaft bekennt sich auf ihrem Pfingsttreffen zu Europa, erteilt Nationalismus und Extremismus eine Absage – und ehrt folgerichtig einen Mann der Integration und Öffnung nach Osten.
„Europa“– dieses Wort stand im Mittelpunkt des 74. Sudetendeutschen Tages in Augsburg. Das lag nur vordergründig daran, dass die Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedsstaaten in knapp drei Wochen zur Wahl aufgerufen sind. Der europäische Gedanke, die Idee der Versöhnung und der Verständigung ist schon seit vielen Jahren das Herzensthema des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt. Der 67-Jährige hat am Samstag sein Bekenntnis zu Europa mit einem Statement gegen Extremismus verknüpft. Im Augsburger Messezentrum beteuerte Posselt, dass er entschlossen sei, diejenigen zu bekämpfen, die Europa „zerlegen“wollten, sei es von links wie Wagenknecht oder von rechts wie der AfD-Politiker Höcke. In diesem Sinne war es stimmig, dass mit Jean-Claude Juncker ein ebenso überzeugter Europäer wie Posselt mit dem nach dem mittelalterlichen Kaiser Karl IV. benannten Karls-Preis 2024 ausgezeichnet wurde. Etwas Enttäuschung darüber, dass der 69-Jährige, der zwei Jahrzehnte lang als luxemburgischer Ministerpräsident regierte und die EU-Kommission von 2014 bis 2019 leitete, den Preis aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich entgegennehmen konnte, in Augsburg schon spürbar. Die Preisverleihung und die Dankesworte Junckers wurden per Video im Saal präsentiert. Posselt würdigte, dass sein Freund Juncker maßgeblich an der europäischen Integration mitgewirkt habe, einer der Väter des Binnenmarktes sei sowie die Einführung des Euro und die EU-Osterweiterung vorangetrieben habe. Nicht von ungefähr stand das Pfingsttreffen in diesem Jahr unter dem Motto „Sudetendeutsche und Tschechen – miteinander für Europa“. Der Landesobmann der Sudetendeutschen
Landsmannschaft, Steffen Hörtler, benötigte bei seiner Eröffnungsrede einige Zeit, die Reihe von Gästen aus Tschechien vorzustellen, die der Einladung nach Augsburg gefolgt waren. Die Stadtkapelle Gersthofen hatte zu Beginn der Veranstaltung wie selbstverständlich auch die tschechische Nationalhymne nach der Bayernhymne und dem Deutschlandlied intoniert. Tatsächlich hat die Versöhnung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen, die nach dem Zweiten
Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben wurden, einen neuen Schub erhalten. Der tschechische Staatspräsident Petr Pavel war seit seinem Amtsantritt 2023 bereits dreimal in Bayern zu Gast. Seine klaren Signale für Versöhnung hallten am Wochenende in Augsburg nach. Die Bayerische Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf (CSU) dankte den „tschechischen Freunden“in ihrer Rede für die Charmeoffensive aus Prag und lobte die Sudetendeutsche
Landsmannschaft, dass sie niemals „Vergeltung“oder „Rache“für die Vertreibung gefordert habe. Weniger warme Worte hatte Scharf allerdings für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, übrig. Die Grünen-Politikerin hatte mit einer Namensänderung in den Vertriebenenverbänden, aber auch bei CDU/CSU für Unmut gesorgt. Aus dem Namen „Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen des östlichen Europa“war im September „der Deutschen“kurzerhand herausgestrichen worden. Scharf sieht darin das Werk einer „ideologischen Sprachpolizei“, Roth habe „von der Geschichte nicht viel verstanden“– eine Attacke, für die Scharf im Saal viel Beifall erhielt. Ein Hauch von Europawahlkampf, der allerdings fast wieder vergessen war, als zum Schluss die Europahymne das Signal gab, sich bei bayrischen und tschechischen Spezialitäten im Foyer der Halle zu treffen.