Rundschau für den Schwäbischen Wald – Der Kocherbote
Versinken in klanglicher Einfachheit
In der fast voll besetzten Kirche des Gmünder Franziskanerinnenklosters lässt das Duo Lilit Tonoyan und Davit Melkonyan Bach’sche Instrumentalmusik auf armenische Sakralmusik treffen.
Lilit Tonoyan und Davit Melkonyan hatten zuvor die vokale Sakralmusik aus Armenien für Violine und Violoncello arrangiert. Das gelang auch deshalb, weil beide Musiker einen sehr gesanglichen Stil pflegten. Das war schon beim ersten Stück, der Gründonnerstagshymne „Sirt im Sasani“(Mein zitterndes Herz) von Mkhitar Ayrivanetsi, zu hören, einem armenischen Komponisten aus dem 13. Jahrhundert. Zur leicht verzierten Melodie in der Violine kam ein lang gehaltener Ton im Violoncello, der in der armenischen Kirchenmusik als Symbol für die „ewige Stimme Gottes“steht. Danach wurde das Verhältnis umgekehrt mit der Melodie im Violoncello und dem Halteton in der Violine. Dass es besonders gesanglich klang, dürfte auch an der Verwendung von barocken Bögen und Darmsaiten gelegen haben. Dadurch wirkten die Töne weicher und sanfter intoniert.
Schlicht, aber ergreifend
Das zeigte etwa auch Sahak Dzoraporetsis „Zorutyun Surb Khachi“(Die Kraft des Heiligen Geistes), das schlicht, aber ergreifend klang und immer wieder das Violoncello als eine Art Vorsänger in Szene setzte. Ähnlich wirkte Makar Yekmalyans „Miayn Surb“(Einzig heilig) mit seinem Frage-Antwort-Spiel zwischen den beiden Instrumenten. Diesmal wurden die Liegetöne zwischendurch mittels Verzierungen aufgelockert. „Amen Hayr Surb“(Amen, Heiliger Vater) vom gleichen Komponisten trugen beide Musiker mit großer Ausdrucksstärke vor, indem sie die Atembögen wunderbar auskosteten, Lilit Tonoyan besonders auf der G-Saite ihrer Violine. Voller Melancholie stimmte sie allein Grigor Narekatsis „Havun havun“(Der Vogel erwacht) an und ließ die „stille Ekstase“zum Erlebnis werden. Davit Melkonyan stellte besonders die Anfangsfigur der Hymne heraus, was er dann zur Kombination mit dem Preludio aus der Violin-Partita in E-Dur von Johann Sebastian Bach wieder aufgriff. Interessant war dabei die aufhellende Wirkung von Bachs toccatenhaft fließendem Stück auf die hymnische Motivik.
Damit war auch schon der Höhepunkt des Kombinierens von Bach’scher Instrumental- mit armenischer Sakralmusik erreicht. Mit der zweistimmigen E-DurInvention Bachs kam es zwar zu einem noch stärkeren Verschränken der beiden Instrumente durch Betonungsverschiebungen, die durch spielerisch hüpfende Figuren ausgeglichen wurden, aber zu keiner weiteren Steigerung. Überhaupt erschienen die zweistimmigen Inventionen mehr als Auflockerungen zwischen dem innig gesanglichen Spiel voller Ausdrucksintensität. Manche, wie die in a-Moll, hätte man sich auch nuancierter gespielt vorstellen können. Schön gelang dagegen das tänzelnde Moment der B-DurInvention. Bisweilen kam es aber auch zu Annäherungen zwischen den beiden Musikkulturen, wenn es um den gesanglichen Ausdruck ging. Das klang zum ersten Mal mit der Sarabande aus der Es-Dur-Cellosuite an und wurde mit der Sarabande aus der d-Moll-Partita für Violine solo vertieft, und noch ein Stück mehr mit dem Largo aus der C-DurSonate BWV 1005. Lilit Tonoyan hatte ihren Bearbeitungen auch Elemente hinzugefügt, die zu den Bach-Stücken Brücken bauten, etwa wenn am Ende des von Komitas Vardapet überlieferten „Ter voghormea“(Herr, erbarme dich) plötzlich für virtuose Violinpassagen gern verwendetes schnelles Akkordbrechen über alle vier Saiten zu vernehmen war. Oder wenn in einem anderen Violinsolo, Dzoraporetsis „Vor nshanav amenagaght“(Siegreiches Kreuz), die Töne auf der tiefsten Violinsaite gezupft erklangen, während Tonoyan die Melodie durch Bogenspiel intonierte. Das gemahnte natürlich auch an das in der Barockzeit aufgekommene Violinvirtuosentum.
Lang anhaltender Applaus
Daneben herrschte ein erzählerischer Tonfall vor. Vor allem das für den Friedensgottesdienst geschriebene „Nayeac sirov“(Der Vater erblickte barmherzig) des im 12. Jahrhundert lebenden Nerses Shnorhali klang danach, aber ebenso zupackend und leidenschaftlich und mit zunehmend häufigeren Stimmführungswechseln zwischen Violine und Violoncello. Am Ende hatten die Einfachheit und die Schlichtheit, aber auch der ergreifende Ton des Vortrags die Zuhörer begeistert und zu lang anhaltendem Applaus bewegt, der mit der F-Dur-Invention Bachs mit ausgelassener Verspieltheit beantwortet wurde.