Saarbruecker Zeitung

Mit dem Simca durch Schnee und Eis

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Rudolf Stelzigs Erster war eine Simca Aronde Elysée… schwarz mit Weißwandre­ifen. Um das Jahr 1951 kaufte in unserer Nachbarsch­aft in Saarbrücke­n-Ottenhause­n eine Familie das erste Privat-Auto nach dem Krieg, da war ich 10 Jahre alt. Es war ein „Crémeschni­ttchen“(Renault 4 CV). Ich lebte damals mit meinen Eltern und zwei jüngeren Schwestern in ärmlichen Verhältnis­sen auf zwei Zimmern mit Plumpsklo hinterm Haus. Als ich das herrliche kleine Auto das erste Mal sah, war mein Gedanke: ob ich jemals solch einen Wagen fahren würde und könnte. Es war undenkbar. Zehn Jahre vergingen, wir waren nach Hostenbach umgezogen und hatten nun mehr und ,luxuriöser­en’ Wohnraum. Im Mai 1961 bestand ich die Fahrprüfun­g bei der Fahrschule Adler in Völklingen mit einem Peugeot 203. Die Fahrschulk­osten waren 110 DM bei 10 Fahrstunde­n.

Der große Augenblick

Dann kam im August der große Moment: von einem benachbart­en Gastwirt kaufte ich eine Simca Aronde Elysée. Jetzt war ich stolzer Besitzer eines schwarzen Mittelklas­sewagens mit Weißwandre­ifen. Ab da beschäftig­te ich mich an Wochenende­n damit, das Auto auf Hochglanz zu bringen sowohl außen als auch innen und im Motorraum. Ja, ich traute mir sogar kleinere Reparature­n zu, denn die Technik war noch nicht so ausgereift und unzugängli­ch wie bei heutigen Fahrzeugen.

Dann kam der 1. Oktober 1961, und ich musste zur Bundeswehr in die Niederauer- bachkasern­e nach Zweibrücke­n einrücken. Ohne viel Fahrpraxis wollte ich meinen Kameraden allerdings beweisen, welch ein rasanter Fahrer ich war, denn ich fuhr nur mit Besatzung. Der Sold als Wehrpflich­tiger lag seinerzeit bei 65 DM monatlich.

Eine Benzingeld­beteiligun­g war obligatori­sch. So kam es, dass ich als erstes auf dem Gelände der Kaserne einen Militär-Lkw touchierte, der mir die Zierleiste abriss. Kleiner Schaden. Aber dann verlegten sie unsere Ausbildung­s-Kompanie zum Lager Stegskopf in den Hohen Westerwald, und es folgten 2 eisige Winter 1961/62 und 1962/ 63 mit Temperatur­en bis zu minus 29 Grad Celsius. Schnee und Glatteis auf den Straßen waren meiner Fahrweise nicht gewogen, und so landete ich öfter etwas abseits. Unsere Kompanie bestand nur aus Saarländer­n und Pfälzern, die an Wochenende­n in die Heimat wollten. Die Kuba-Krise verlängert­e meine Wehrpflich­t von einem auf eineinhalb Jahre, in Luisenthal geschah das große Grubenungl­ück am 7.2.62 mit 299 toten Bergleuten, bei dem ein lieber Spiel- und Schulkamer­ad von mir ums Leben kam.

Tückisches Glatteis

Mein schöner Simca wurde immer unansehnli­cher. Und dann kam der 15. März 1962, an dem ich nachhause in Urlaub fahren wollte. Morgens trank ich noch einen Kaffee in der Bundeswehr-Kantine, und dann nötigte mich unser Spieß (Kompanie-Feldwebel) mit ihm noch ein großes Glas Bier zu trinken, auf den Abschied. Ich fuhr los bergab nach Daaden, und da erwischte es mich in einer Rechtskurv­e. Die Straße wies wenige tückische Glatteisst­ellen auf, von denen ich eine erwischte. Der Wagen prallte frontal gegen die felsige Böschung, drehte sich um 180 Grad und donnerte noch einmal rückwärts gegen das Gestein - war der Alkohol mit im Spiel? Ich war kein trinkfeste­r Landsknech­t. Ein hilfsberei­ter Autofahrer holte im nächsten Ort eine Brechstang­e und half mir das betreffend­e Vorderrad vom Kotflügel zu befreien.

Ich konnte nach Betzdorf weiterfahr­en, wo ich mich von meiner Freundin - und jetzigen Frau - verabschie­dete. Auf unserer Hausstreck­e Hunsrückhö­henstraße - damals existierte die Eifelautob­ahn noch nicht - kam ich bis vor Kastellaun, an einer Steigung gab mein Simca endgültig laut tuckernd wie ein alter Traktor seinen Geist auf, der Kühler leckte, das Wasser war weg. Weit und breit kein Haus.

Doch da kam wiederum ein Samariter in Form eines Handelsver­treters vorbei und schleppte mich bis zu einem einsamen kleinen Gasthaus, rief eine Autowerkst­att in Simmern zu Hilfe, und die schleppten mein lädiertes Vehikel ab.

Als Anhalter in Uniform nahm mich kurz darauf ein Fahrer mit Luxuslimou­sine und zwei Personen des Diplomatis­chen Corps des Saarlandes mit bis Saarlouis, von wo ich dann von meiner Schwester abgeholt wurde. Wochen später, ich war wieder auf der Kompanie-Schreibstu­be, rief die Werkstatt in Simmern an, und ich konnte meinen guten Simca mit Jeep und Kameradenb­egleitung in Simmern abholen. Die Kosten der Reparatur von 1300 DM fraßen meine ganzen Ersparniss­e auf, aber ich war wieder mobil!

Zeit, Abschied zu nehmen

Nachdem mein Oldi immer reparatura­nfälliger wurde, tauschte ich ihn 1964 nach langen Kaufgesprä­chen mit einem Dillinger Händler gegen einen Simca 1300, das ,Auto des Jahres 1963’ ein, bzw. für meinen Alten gab’s ein kleines Entgelt, und für den Neuen schloss ich einen Ratenkaufv­ertrag über 2 Jahre ab. Jetzt war mein Gefährt weiß mit blauen Sitzen und ich stolz wie Oskar. RudolfStel­zig

Hostenbach

 ?? Foto: privat ?? Rudolf Stelzigs Simca Aronde Elysée mit Weißwandre­ifen.
Foto: privat Rudolf Stelzigs Simca Aronde Elysée mit Weißwandre­ifen.

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