Gewalt gegen Polizisten erschreckt
Respektlosigkeit auch gegenüber Rettungskräften – Neuer Straftatbestand soll helfen
Gerade in Ballungsräumen wie Saarbrücken werden Polizisten immer öfter angegriffen und verletzt. Nicht jeder Kratzer wird beim Arzt behandelt und nicht jede Beleidigung angezeigt. Aber das Tragen von Schutzausrüstung gehört zum Alltag.
Saarbrücken. Vor zweieinhalb Monaten ist Wolfgang Schäfer von der ländlichen Polizei-Inspektion Köllertal als Polizeichef ins Ballungszentrum Burbach gewechselt. Was ihm in seinem neuen Beritt an Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit gegenüber seinen Mitarbeitern begegnet, hat ihn erschrecken lassen.
Als der Erste Polizeihauptkommissar dieser Tage in großer Runde seine Ernennungsurkunde erhielt, war es ihm ein besonderes Anliegen, die hundert Bediensteten zur Achtsamkeit anzuhalten: „Passt auf eure Gesundheit auf!“Wie Schäfer im Gespräch mit unserer Zeitung präzisierte, gab es allein in den letzten zehn Wochen zehn Widerstandshandlungen gegen seine Mitarbeiter. Oft waren mehrere Beamte betroffen. Vor allem bei Festnahmen von Autoknackern und beim Schlichten von häuslicher Gewalt.
Der Gipfel: Ein Polizist wurde von einem Hepatitis-C-Infi-
Angriffe auf Polizeibeamte häufen sich nicht nur in unseren Nachbarländern wie Frankreich, wo diese Aufnahme entstand, sondern auch im Saarland und nicht zuletzt in Saarbrücken.
zierten gebissen und musste zum Arzt. „Das war nicht nur schmerzhaft, sondern so etwas legt sich auch auf Psyche und Privatleben“, beklagt Schäfer.
Nach seiner Beobachtung sind die meisten Angreifer alkoholisiert oder durch Drogen benebelt. Neuerdings oft beides, wie Georg Himbert weiß. Der Sprecher des Landespolizeipräsidiums kann die steigende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten mit Zahlen belegen: 2013 hatte es im Saarland 62 Unfall- und Krankmeldungen nach Widerständen gegeben. 2014 waren es mit 133 mehr als doppelt so viele. Insgesamt gab es 2013 fast 400 Fälle von Widerständen gegen insgesamt 900 Polizisten (davon 200 Frauen). Da diese Berufsgruppe einiges wegstecken kann und nicht wegen jedem blauen Fleck oder Kratzer zum Arzt geht, bleiben die Unfallzahlen und Krankenscheine deutlich darunter. Fast schon alltäglich sind inzwischen aber auch Pöbeleien, Behinderungen und Respektlosigkeiten von Zeitgenossen, die „nicht sozialisiert sind und alles Hoheitliche in Frage stellen“, sagt Himbert.
Leidtragende seien nicht nur Polizisten, sondern auch medizinische Nothelfer und Feuerwehrleute bei Einsätzen nach Unfällen. Ralf Porzel, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) an der Saar, wünschte sich zur Eindämmung von Gewalt gegen Polizisten und Rettungsdienste einen eigenen Straftatbestand mit größerer Schutzwirkung und höherem Strafmaß, als ihn der heutige „Widerstands“-Paragraf 113 („gegen Vollstreckungsbeamte“) biete. Er gilt unter Polizisten als „zahnloser Tiger“. Porzel ist optimistisch, dass Innenminister Klaus Bouillon (CDU) eine entsprechende Initiative aus Bremen unterstützt. Diskutiert wird auch, ob bestimmte „problematische“Einsätze mit Kameras begleitet werden könnten.
Ein Versuch in Hessen hat nach Ansicht von Befürwortern ergeben, dass solche „Bodycams“an Polizeiuniformen helfen können, Gewalt zu vermeiden. Derweil versucht die hiesige Polizei schon in der Ausbildung, präventive Lösungen für dräuende Gewalttaten zu lehren und Einsätze zu trainieren, bei denen es hart zu werden droht. Die technischen Schutzausrüstungen der Beamten gelten als angemessen und werden auch tagtäglich getragen. Und wohl dem jungen Polizisten, der auf Personen- und Ortskenntnisse der „alten Hasen“zurückgreifen kann. Das Wissen um Gefahren und Gefährder ist der beste Schutz.