Eine rote Ampel und ein vorbildlicher Rücktritt
Vor fünf Jahren legte Margot Käßmann ihr Amt als EKD-Chefin nieder
Frankfurt. Am Ende ihrer kurzen Erklärung nickt Margot Käßmann energisch. Trotz müder Augen ist in ihrem Gesicht Erleichterung zu erkennen. Am 24. Februar 2010 scheint die Karriere der populären Theologin mit den kurzen Haaren beendet. Gerade hat sie ihren Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erklärt.
Vier Tage zuvor hatte sie unter Alkoholeinfluss am Steuer ihres Dienstwagens eine rote Ampel überfahren. Der Fall wurde öffentlich – und die Glaubwürdigkeit der obersten Repräsentantin der deutschen Protestanten stand infrage. „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte“, schlussfolgerte Käßmann und zog die Konsequenz.
Mit dem Rückzug aus allen leitenden Ämtern habe sich Margot Käßmann „als politisches Genie erwiesen“, sagt der Kommunikationsberater Klaus Kocks. Und tatsächlich scheint die Beliebtheit der 56-Jährigen durch den Rücktritt noch gestiegen zu sein: Als Buchautorin und Kolumnistin ist sie ebenso erfolgreich wie von Fernsehsendern als Talkshow- Gast gefragt. Nach Gastprofessuren in den USA sowie an der Ruhr-Universität Bochum kehrte sie vor drei Jahren zudem in ein Amt in der evangelischen Kirche zurück: Als Botschafterin des Rates wirbt sie international für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017.
Wenn Reue als wahrhaftig empfunden wird, seien Christenmenschen zur Vergebung bereit, er- Margot Käßmann klärt sich Experte Kocks den schnellen Wiederaufstieg Käßmanns. Tatsächlich wurde ihr Rücktritt inzwischen vielfach als beispielgebend herausgestellt. Ob Christian Wulff oder Franz-Peter Tebartz van-Elst: Wer lange an seinem Amt festhielt, dem wurde die Gradlinigkeit Käßmanns als Spiegel vorgehalten.
Wie sehr die Mutter von vier Töchtern vor der Aufgabe der Ämter mit sich gerungen hat, verriet Käßmann, als sie wenige Monate später erstmals wieder öffentlich auftrat. Sie habe sich an jenem „dramatischen Tag“zum ersten Mal in den zehn Jahren als Bischöfin in ihrer Kanzlei eingeschlossen, um für sich allein eine Entscheidung zu fällen. Es gab in ihrem Umfeld nicht wenige, die sie zum Verbleib im Amt bewegen wollten. Noch am Abend vor dem Rücktritt hatte ihr der EKD-Rat das Vertrauen ausgesprochen.
Die 13 Ratsmitglieder mögen dabei auch im Sinn gehabt haben, welche öffentliche Wirkung sie der Vorsitzenden verdankten – der ersten Frau im Amt. Vor allem Käßmanns beherztes Eintreten gegen eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik hatte in den vier Monaten an der EKDSpitze für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem sie in einer Neujahrspredigt den Satz „Nichts ist gut in Afghanistan“ausgesprochen hatte, setzte eine intensive Debatte über den Bundeswehreinsatz ein. „Kirche muss politisch sein“, ist ihre Überzeugung, und so provozieren einige ihrer Äußerungen weiter. „Ich fände es gut, wenn die Bundesrepublik auf eine Armee verzichten könnte wie etwa Costa Rica“, sagte sie im September – was wiederum heftige Reaktionen der Politik hervorrief.
Das alles bewahrt Käßmann, die inzwischen in Berlin und auf Usedom lebt, aber nicht davor, auch für politische Ämter ins Gespräch gebracht zu werden. Selbst als Bundespräsidentin wird sie immer mal wieder gehandelt.