EU drängt auf Energie-Union
Vernetzung soll Abhängigkeit von Russland verringern
Die Ukrainekrise hat vielen vor Augen geführt, dass die EU zu sehr von Energielieferungen aus Russland abhängig ist. Eine Energie-Union soll mehr Eigenständigkeit bringen und für niedrigere Preise sorgen.
Brüssel. Sie soll endlich Unabhängigkeit bringen. Mit einem Konzept für eine Energie-Union will die EU-Kommission eine neue Ära in der Geschichte der Gemeinschaft einläuten. Die zähen Verhandlungen mit Russland kurz vor dem Wintereinbruch hat man in Brüssel noch in guter Erinnerung. Im Zuge der Ukrainekrise haben sich Ängste, Moskau könne die Gasversorgung Europas als Druckmittel missbrauchen, noch verschärft. Damit soll jetzt Schluss sein. Der für Energie zuständige Vizepräsident Maros Sefcovic sprach von dem „ambitioniertesten Vorhaben seit Gründung der KohleStahl-Union“.
Bislang zeichnet sich der Energiemarkt der Union durch 28 unterschiedliche Gesetzgebungen aus. Denn die Energieversorgung fällt unter nationales Recht. Das schränkt den Wettbewerb ein, ein „unangenehm hoher Prozentsatz europäischer Haushalte“könne aufgrund zu geringer Auswahl bei den Energieversorgern seine Energierechnungen nicht begleichen, heißt es in dem gestern vorgestellten Strategiepapier. Mit einem integrierten Binnenmarkt sollen Verbraucher von niedrigeren Preisen profitieren.
Langfristig will die Kommission aber über eine bessere Vernetzung zwischen den Mitgliedsstaaten nicht nur mehr Wettbewerb untereinander, sondern vor allem größere Unabhängigkeit von externen Lieferanten schaffen. Doch die Energie-Infrastruktur ist veraltet. Für ihre teure Aufrüstung, und einer Erhöhung ihrer Kapazitäten braucht es Investitionen. Nicht zuletzt für den Aus- Maros Sefcovic bau erneuerbarer Energien. Dafür hätten die Mitgliedsstaaten bislang nicht genug getan, warf Sefcovic ihnen vor.
137 Projekte innerhalb der Gemeinschaft warten noch auf ihre Umsetzung. Bislang ist die EU-Familie mit 53 Prozent des benötigten Stroms, Gases und Heizöls von Importen abhängig. Kostenpunkt: 400 Milliarden Euro pro Jahr. Sieben EU-Länder sind zu 100 Prozent von den Lieferungen aus Moskau abhängig. Dazu gehören neben den baltischen Staaten Finnland, Bulgarien und die Slowakei. Ratspräsident Donald Tusk, Polens ehemaliger Ministerpräsident, mahnte unlängst: „Eine übergroße Abhängigkeit von russischer Energie“schwäche Europa. Tatsächlich ist der Marktanteil von Gazprom gestiegen. Im vorigen Jahr belief er sich auf 30 Prozent, 2010 waren es noch 25 Prozent. Doch bislang fehlt es an Alternativen.
Stattdessen setzt die Union auf höhere Speicherkapazitäten. Über eine bessere Vernetzung und dem Bau neuer Flüssiggasterminals – bisher gibt es nur zwei in den Niederlanden und in Österreich – in Südeuropa sollen größere Speicherkapazitäten für den Fall von Energieengpässen geschaffen werden.
Doch das Ziel, das die 28 EULänder bis 2020 erreichen sollen, liegt in weiter Ferne. Bis dahin sollen zehn Prozent der eigenen Energieproduktion im Notfall den Nachbarn mitversorgen. Fast die Hälfte der Gemeinschaft erfüllt diese Vorgaben derzeit nicht.
In Brüssel rechnet man mit Blick auf das im März auslaufende Winterpaket, das Kommissar Günther Oettinger, damals noch für Energie zuständig, mit Russland und der Ukraine ausgehandelt hatte, mit einem neuerlichen Versorgungsengpass. Nachfolger Miguel Arias Cañete warnte: „Wir müssen vorbereitet sein auf eine weitere Krise.“Bis zur Energie-Unabhängigkeit ist es aber noch ein weiter Weg: Die Kommission plant mit dem Jahr 2030.
Abhängigkeit schwächt. Das hat das Ringen um das Winterpaket mit Russland im vergangenen Oktober gezeigt. Mit der geplanten Energieunion hat die EU eine reelle Chance, dem Kreml dieses Druckmittel zu nehmen. Doch dem steht der nationale Eigensinn der Mitgliedsstaaten im Weg. Einen