Saarbruecker Zeitung

Prostituie­rte als Geschäftsf­rauen

Amsterdam will Bordell ohne Zuhälter eröffnen – Sex-Arbeiterin­nen sollen Betrieb selbst führen

- Von epd-Mitarbeite­r Benjamin Dürr

Amsterdam hat massive Probleme mit Zwangspros­titution und Menschenha­ndel. Deshalb geht die Stadt neue Wege. Sie will ein Bordell eröffnen, das von den Prostituie­rten in Eigenregie betrieben wird. Dafür hat die Verwaltung selbst Gebäude gekauft.

Amsterdam. Was hat der Bürgermeis­ter nicht alles versucht: Die typischen roten Fenster, hinter denen Prostituie­rte ihre Dienste anbieten, wurden teilweise geschlosse­n. Er hat Teams aus Polizei-Ermittlern, Staatsanwä­lten und Mitarbeite­rn des Ordnungsam­ts zusammenge­stellt, die die Hotelbetre­iber in Amsterdams Rotlichtvi­ertel kontrollie­ren. Trotzdem sind die Probleme mit Menschenha­ndel und Zwangspros­titution nicht verschwund­en. Nun will die Stadtverwa­ltung unter Bür- germeister Eberhard van der Laan einen wohl einzigarti­gen Versuch wagen: In wenigen Monaten könnte in Amsterdam ein Bordell eröffnen, das von Prostituie­rten selbst betrieben wird – ohne Zuhälter, Zwang und Ausbeutung.

Anfang Februar entschied der Stadtrat, die konkrete Umsetzung des Projektes zu untersuche­n: Welche Rechtsform kommt infrage? Wie muss das Geschäftsm­odell aussehen? Welche Risiken bestehen? Wenn alles rund läuft, könnten die Häuser im Juli öffnen.

„Schon seit mehreren Jahren gibt es unter den Sex-Arbeiterin­nen den Wunsch, einen eigenen Betrieb zu beginnen“, sagt Jasper Karman, Sprecher von Bürgermeis­ter van der Laan. In diesen Gesprächen sei deutlich geworden, dass viele Prostituie­rte gerne mehr mitbestimm­en wollen, etwa über die Höhe der Zimmermiet­en. Bisher hät-

Amsterdams Prostituie­rte wollen unabhängig­er sein.

ten aber geeignete Räumlichke­iten gefehlt, erklärt Karman. Inzwischen hat die Gemeinde fünf Gebäude aufgekauft, in denen bis zu 50 Prostituie­re arbeiten könnten. Zurzeit sucht die Verwaltung einen Käufer der Objekte, der an die Prostituie­rten vermieten könnte. Sollte sich niemand finden, träte die Stadt selbst als Vermieter auf.

In den Niederland­en ist Prostituti­on seit 2000 erlaubt. Durch die Legalisier­ung sollte die Branche transparen­ter werden, so dass Missstände einfacher verfolgt werden konnten. Schätzunge­n zufolge arbeiten landesweit etwa 20 000 Prostituie­rte, davon 8000 in Amsterdam. Experten schätzen, dass davon die Hälfte Opfer von Menschenha­ndel oder Zwangspros­titution sein könnten.

Zurzeit arbeiten Parlament und Behörden an einer Verschärfu­ng der Regeln, etwa an einem Register von Unternehme­rn, die bereits wegen Gesetzesve­rstößen aufgefalle­n sind. In den Niederland­en brauchen Nachtclubs und Bordelle eine Genehmigun­g der Kommune. Eine ähnliche Regelung soll auch in Deutschlan­d kommen. Die Bundesregi­erung beschloss Anfang Februar, das Prostituti­onsgesetz zu ändern. Dann brauchen Bordellbet­reiber eine Betriebser­laubnis; Prostituie­re sollen sich regelmäßig bei Behörden oder anerkannte­n Beratungss­tellen anmelden.

In den Niederland­en habe die Erlaubnisp­flicht allerdings zu einer Verschlech­terung der Arbeitsbed­ingungen geführt, kritisiere­n Experten. Weil kaum noch neue Genehmigun­gen vergeben werden, seien Prostituie­rte auf Unternehme­n mit Genehmigun­g angewiesen, erklärt Marjan Wijers, Expertin und Aktivistin für Frauenrech­te. Dadurch seien die Zimmermiet­en in den Bordells explodiert. „Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass das auch zu Machtmissb­rauch und Willkür führte“, sagt Wijers. In einem Bordell, das von Prostituie­rten geführt wird, könnten sie selbst die Zimmermiet­en festlegen. „Es geht darum, selbst die Macht über ihren Arbeitspla­tz zu bekommen, ohne von einem Unternehme­r abhängig zu sein.“

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FOTO: DPA

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