Alles andere als Einheitsbrei
„II“von Spidergawd und „Lore“von Elder – Psychedelic Rock von erfahrenen Musikern
Nneka „My Fairy Tales“(Bushqueen Records/ Soulfood): Eine der interessantesten Stimmen dieses Landes hat Nneka. Sie kam mit 19 Jahren aus Nigeria hierher, wollte eigentlich Anthropologin werden, ist jetzt aber Musikerin. Glücklicherweise. Die Wahl-Hamburgerin hat nicht nur eine außergewöhnliche Stimme. Ihre neuen Lieder, die vom „Leben der Afrikaner in der Diaspora“handeln, brauchen sich mit ihrer perfekten Melange aus Funk, Soul, Hip-Hop, Afrobeat und Reggae nicht dahinter zu verstecken. Sie sind spannend und abwechslungsreich; an Ohrwürmern mangelt es nicht: siehe „Babylon“, „My Love“und „Local Champion“. Lediglich das abschließende Dub-Trance-Stück „In Me“ist überflüssig.
= grandios = hervorragend = stark = solide = diskutabel = dürftig Rock mit Psychedelic-Einflüssen – das ist gleich bei zwei Bands Programm, die derzeit mit starken Alben überraschen. Ihre Namen: Spidergawd und Elder.
Spidergawd existiert erst seit zwei Jahren. Dahinter verbergen sich keine Jungspunde, sondern erfahrene (Rock-)Musiker aus der norwegischen Stadt Trondheim. Von dort kommt auch die nicht gerade unbekannte Band Motorpsycho. Mit der haben Spidergawd außer der Heimatstadt noch etwas gemein: Die zwei Mitglieder Bent Sæther (Bass) und Kenneth Kapstad (Schlagzeug).
In selbiger Stadt trieb sich Ende der Neunziger auch eine Band namens Cadillac um. Sæther und Kapstad waren große Fans dieser, weshalb es nahe lag, irgendwann einmal mit deren Gitarrist Per Borten gemeinsame Sache zu machen. Zuletzt stieß Baritonsaxofonist Rolf Martin Snustad dazu und komplettierte damit die Band.
Anfang 2014 erschien ihr Debütalbum, das sie in ihrer erst fünften Bandprobe aufnahmen. Unglaublich! Mitte Januar ist der Nachfolger „II“( Crispin Glover Records/Soulfood) auf den Markt gekommen. An Arbeitseifer mangelt es den Herren keineswegs. Ihren Songs ebenso wenig an Qualität. Rock’n’Roll, Blues-, Kraut-, Fuzz-, Hardund Psychedelic Rock... aus den acht Liedern sind verschiedene Rock-Subgenres herauszuhören und wurden zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt. Spidergawd ist ihre Spielfreude und ihre Hingabe anzuhören. Es handelt sich eben nicht um ein zweitrangiges Projekt, sondern um eine vollwertige Band, die mit Snustad am Saxofon einen Trumpf im Ärmel hat. Sein Verdienst ist es, in dem hypnotischen, tranceartigen „Careulean Caribou“und in dem brillanten Mitgeh-Rocksong „Get Physical“so zu agieren, dass dem Nicht-Saxofon-Liebhaber seine Improvisationen nicht den Hörspaß verderben. Diese knifflige Aufgabe hat er mit Bravour gelöst. Ende des Jahres soll bereits Album Nummer drei in die Läden kommen.
Elder aus Massachusetts sind schon einen Schritt weiter. Ihr drittes Studioalbum ist fertig, heißt „Lore“( Stickman/Soulfood), erstreckt sich über knapp 60 Minuten, beinhaltet aber nur fünf Songs. Fans von ausufernden Psychedelic/Stoner-Rock-Kompositionen werden jetzt vor Freude ihre Arme in Luft werfen. Genau auf dieses Klientel ist das 2006 in Boston gegründete Trio zugeschnitten. Erfreulicherweise tappen Elder nicht in die Falle, Einheitsbrei oder Standardware aufzutischen. Ihre Songs sind in Bezug auf Tempo und Stil variabel, sodass es dem Hörer auch bei einer Einzeldauer von bis zu 16 Minuten nicht langweilig wird. Eher besteht die Gefahr, sich in den Songs „Legend“und „Lore“wie in einem Tagtraum zu verlieren.
„Chasing Yesterday“von Noel Gallagher’s High Flying Birds – Ex-Oasis-Mitglied schrieb und produzierte selbst Selbst für das ehemalige Oasis-Mitglied Noel Gallagher gibt es im Musikerleben noch Neues zu erleben. So hat er die Songs auf „Chasing Yesterday“(Sour Mash/ Indigo), dem neuen Album seiner Band Noel Gallagher’s High Flying Birds, im Alleingang geschrieben und produziert. Ein Spaß war das für die 47-jährige BritpopIkone nicht. Dass er alle Beteiligten dirigieren, alles organisieren musste und die alleinige Verantwortung hatte, beschrieb er als „absolut schrecklich“.
Um es kurz zu machen: Es war aller Mühen wert. „Chasing Yesterday“ist ein gutes Stück entfernt vom allseits bekannten Oasis-Stil, kann jedoch mit diesem qualitativ Schritt halten. Denn Gallagher lässt interessante neue Einflüsse erkennen. Ein dezentes JazzSaxofon ist beispielsweise das Tüpfelchen auf dem i in dem brillanten, langsam groovenden Psychedelic-Song „The Right Stuff“. Hervorzuheben wären auch das erfrischend verspielte „While The Song Remains The Same“und der bluesige Rock-Stampfer „In The Heat Of The Moment“, dessen Text auf einem Zitat eines Astronauten basiert. Der hatte die Reise ins All damit verglichen, das Gesicht Gottes zu berühren. Im letzten Lied, „Ballad Of The Mighty I“, taucht eine weitere britische Ikone auf: ExGitarrist von The Smiths Johnny Marr. Leider ist das gemeinsam eingespielte Lied mit seinem stupiden Rhythmus in Kombination mit den Pop-Anleihen eher enttäuschend. Was jedoch den überaus positiven Gesamteindruck von Gallaghers „Alleingang“nicht schmälern kann. kfb