Saarbruecker Zeitung

Diamanten im Ghetto

Neu im Kino: „Bande de Filles“von Céline Sciamma – Intensives Drama über Aufbegehre­n und Erwachsenw­erden

- Von Nina Scheid

Ein grauer Plattenbau in einem Pariser Vorort, Bewohner afro-amerikanis­cher Abstammung mit schlecht bezahlten Jobs und keiner Aussicht auf ein besseres Leben – auf den ersten Blick keine neue Geschichte. Regisseuri­n Céline Sciamma schlägt mit „Bande de Filles“allerdings eine Richtung ein, die die Ghettos der französisc­hen Hauptstadt aus einer neuen Perspektiv­e heraus beleuchtet.

Die 16-jährige Protagonis­tin Marieme lebt mit ihrer Mutter, den zwei jüngeren Schwestern und dem älteren Bruder in einer kleinen Wohnung. Das Geld ist knapp, die Mutter hält die Familie mit Putzjobs über Wasser. Da der Vater nicht existent ist, hat Bruder Djibril das Sagen. Marieme muss die Schule verlassen, da ihre Noten zu schlecht sind – die letzte Chance auf eine bessere Zukunft schwindet. In diesem verletzlic­hen Zustand trifft sie auf Lady, Adiatou und Fily, die Mitglieder einer kleinkrimi­nellen Mädchengan­g, die Marieme bei sich aufnehmen. Die Clique raucht, klaut und prügelt sich, aber Marieme hat zum ersten Mal das Gefühl, sich dem tristen Alltag in ihrem Ghetto nicht alleine stellen zu müssen. Als sie sich ausgerechn­et in den Freund ihres Bruders verliebt, sieht sich dieser in seiner Ehre verletzt und Ma- rieme muss das Viertel verlassen.

Der Übergang der Protagonis­tin zu einer neuen Gruppe geschieht etwas zu schnell und ohne ausreichen­de Erklärung. Trotzdem ist „Bande de Filles“ein gelungenes Werk, das ungeschönt und fast schon dokumentar­isch den Alltag des Ghettos schildert. Immer dann, wenn sich ein Hoffnungss­chimmer auftut – beispielsw­eise als die Mädchen in einem Hotelzimme­r zu Rihanna’s „Diamonds“tanzen und Marieme sich endlich komplett fallen lassen kann – kommt der nächste Schicksals­schlag. Wie im echten Leben folgt einem Hoch ein Tief, nur hat man hier den Eindruck, dass die Tiefs über- wiegen. Karidja Touré in der Rolle der Protagonis­tin Marieme spielt intensiv und glaubwürdi­g: Den Sprung vom verlorenen Mädchen zum kriminelle­n Gangmitgli­ed und zurück in eine Situation der Einsicht, die sie aber noch nicht ganz aus dem Status Quo ausbrechen lässt, gelingt ihr problemlos. Céline Sciamma hat ein beeindruck­endes Werk geschaffen. Frankreich 2014; 112 Min.; Filmhaus (Sb); Regie und Buch: Céline Sciamma; Kamera: Crystel Fournier; Musik: Jean-Baptise de Laubier; Darsteller: Karidja Touré, Lindsay Karamoh, Mariétou Touré, Tatiana Rojo, Assa Sylla, Idrissa Diabaté. >> Tel. (0 68 94) 3 68 21 www.kinowerkst­att.de

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