Saarbruecker Zeitung

Zentralrat rät Juden vom Tragen der Kippa ab

Präsident hält Stadtviert­el mit vielen Muslimen für gefährlich

-

Friedhöfe werden geschändet, Stolperste­ine zur Erinnerung an Holocaust-Opfer gestohlen, Juden beschimpft und verprügelt. Kann man mit Kippa noch durch deutsche Straßen laufen?

Berlin. Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, hat die Debatte um die Sicherheit der hierzuland­e lebenden Juden erneut angefacht. Schuster stellte gestern angesichts des wachsenden Antisemiti­smus das Tragen der jüdischen Kopfbedeck­ung Kippa in Frage. Juden sollten sich zwar nicht aus Angst verstecken, und die meisten jüdischen Einrichtun­gen seien gut gesichert, sagte er im rbb-Inforadio. Die Frage sei aber, „ob es tatsächlic­h sinnvoll ist, sich in Problemvie­rteln, in Vierteln mit einem hohen muslimisch­en Anteil, als Jude durch das Tragen der Kippa zu erkennen zu geben – oder ob man da besser eine andere Kopfbedeck­ung trägt“.

Es sei eine Entwicklun­g, die er so noch vor fünf Jahren nicht erwartet habe und die ein wenig erschrecke­nd sei. Der Berliner Rabbiner Daniel Alter hatte bereits 2013 von „NoGo-Areas für Juden“in bestimmten Vierteln Berlins gesprochen. Alter war im Sommer 2012 vor den Augen seiner Tochter im Stadtteil Schöneberg von mutmaßlich arabisch-türkischen Jugendlich­en zusammenge­schlagen worden, weil er sich als Jude zu erkennen gab. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Schusters Amtsvorgän­gerin Charlotte Knobloch hatte den Juden wiederholt geraten, sich nicht zu offensicht­lich als solche im öffentlich­en Leben zu erkennen zu geben.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte gestern, er sehe mit großer Sorge, dass die jüdische Gemeinscha­ft in Deutschlan­d die Frage ihrer Sicherheit diskutiere: „Jüdische Mitbürger können in Deutschlan­d sicherer leben als in den meisten anderen Ländern der Welt.“Die Zahl antisemiti­scher Strafta- ten hat im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d aber zugenommen. Wurden 2013 noch 788 Fälle registrier­t, waren es 2014 nach Angaben der AmadeuAnto­nio-Stiftung 864. Eine ähnlich hohe Zahl gab es demnach zuletzt 2012. Der Projektlei­ter der Stiftung, Jan Riebe, verwies zudem auf eine hohe Dunkelziff­er. „Viele Straftaten werden nicht angezeigt, was auch an der sehr niedrigen Aufklärung­squote liegt.“

Mit einem „Netzwerks zur Erforschun­g und Bekämpfung des Antisemiti­smus“wollen die Amadeu-Antonio-Stiftung, das American Jewish Committee und das Moses-Mendelssoh­n-Zentrum an der Universitä­t Potsdam die politische Auseinande­rsetzung mit dem Antisemiti­smus vorantreib­en. Nach den Anschlägen von Paris und Kopenhagen sei die Frage der Sicherheit jüdischen Lebens in Europa derzeit eine der drängendst­en politische­n Herausford­erungen, hieß es. epd/dpa/afp Josef Schuster

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany