Saarbruecker Zeitung

Lust und Last des Risikos

Saar-Musikfest widmet sich ab heute Polen – eine Bewährungs­probe

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Ja, sie hätten es bequemer haben können: Robert Leonardy, Gründer der Musikfests­piele Saar, und sein Sohn Bernhard, der ihm als künstleris­cher Leiter nachgefolg­t ist. Im Jubeljahr des mit 100 000 erwarteten Besuchern klar größten KulturFest­ivals an der Saar, hätte sich niemand an einem Reigen mit dem Schönsten aus 25 Jahren gestoßen. Und es war ja auch ein Klassikfül­lhorn, das die bis dato 14 Festival-Ausgaben sprudeln ließen. Jetzt aber haben sich die beiden Leonardys „Polen“als Mottoland ausgeguckt. Wobei viele Besucher dabei eher auf unentdeckt­e musikalisc­he Weiten blicken dürften, gleichwohl jeder zweite Klavierabe­nd Chopin im Programm führt.

Viele von Polens großen, für uns aber noch „neuen“Komponiste­n enden auf „ki“, baute Robert Leonardy bei der Programm-Vorstellun­g eine Eselsbrück­e. Wir alle sollten sie nutzen, um die großartige­n Werke von Lutoslawsk­i, Penderecki, Gorecki und Skrowaczew­ski kennenzule­rnen. Diese von Tradition wie von enormem Aufbruchsw­illen geprägte Musik. Die Festivalma­cher nehmen so auch ihren Kritikern den Wind aus den Segeln: Das Festival sei stets zu populär und stückele sich vornehmlic­h aus den Tourneeplä­nen diverser Klassiksta­rs zusammen. Nein, ganz haltlos war dieses Monitum nicht, doch von heute an beweist das Festival ohne Frage Mut. Und 2017 könnten sich, wenn Asien The-

GLOSSE ma sein soll, die Festspiele gar zum Hochrisiko­projekt auswachsen. Nach dem Unbekannte­n wartet dann das ganz große Unbekannte.

Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Die Saar-Festspiele haben sich nicht über Nacht zum Avantgarde­Festival gehäutet. Nach wie vor setzt man auf klangvolle Namen wie Sol Gabetta, Nigel Kennedy und Rafal Blechacz. Die Festspiele wollen, ja sie müssen populär sein. Knapp ein Drittel des 1,5-Millionen-Euro-Etats muss der Kartenverk­auf bringen. Ohne volle Säle stirbt das Festival. Genau da liegt auch die Achillesfe­rse: Zeigen die Macher Mut, wie oft gefordert, müssen sie leere Reihen fürchten. Hinzu kommt, dass selbst ein so begnadeter Sponsorenf­ischer wie Robert Leonardy immer öfter spärlich gefüllte Netze einholt.

Sogar die aktuelle Politik kann da Probleme machen: In Zeiten des neuen Ost-West-Konflikts wägen Firmen, die in Russland Geschäfte machen, eben genau ab, ob sie Polen-Festspiele­n beistehen. Trotz des guten Namens also, ihrer Erfahrung, mit der die Musikfests­piele Saar mittlerwei­le punkten, wird ein solches Kultur-Vorhaben alle zwei Jahre zunehmend unkalkulie­rbarer.

Das Festival braucht daher deutlich mehr Unterstütz­ung vom Land, eine echte Absicherun­g, wie sie Staatsthea­ter oder Saarland-Museum längst haben. Und nach 25 Jahren profunder Arbeit hat sich das Festival das auch mehr als verdient.

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Von Oliver Schwambach

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