Saarbruecker Zeitung

Grüne: Völkermord deutlich verurteile­n

Özdemir fordert klare Haltung der großen Koalition zum Massaker an Armeniern

-

Die große Koalition riskiert Krach mit der Türkei. Das Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren soll nun doch als „Völkermord“bezeichnet werden. Nicht nur für die Grünen ist die Formulieru­ng aber unzureiche­nd.

Berlin. In einem offenen Brief appelliert­e Grünen-Chef Cem Özdemir an die Koalitions­fraktionen, den Völkermord an den Armeniern deutlich zu verurteile­n. „Verstecken Sie Ihre Haltung nicht in einem Nebensatz“, heißt es an die Adresse von Schwarz-Rot. „Lassen Sie uns so bei der Bundestags­debatte am 24. April 2015 ein klares kollektive­s Signal senden, dass Deutschlan­d eine verantwort­ungsvolle Haltung gegenüber dem Völkermord an den Armeniern einnimmt und zur Mitverantw­ortung des Deutschen Kaiserreic­hes steht.“

Unionsfrak­tionsvize

Franz Josef Jung (CDU) hatte gestern bereits im Gespräch mit unserer Zeitung angekündig­t, dass der Begriff Völkermord nun doch Eingang in den Entwurf für die Gedenkstun­de am 24. April im Bundestag zum 100. Jahrestag des Beginns der Verfolgung der Armenier im Osmanische­n Reich findet, über den die Koalitions­fraktionen heute abstimmen. Zunächst war in dem Papier mit Rücksicht auf die Beziehunge­n zur Türkei das Wort Völkermord vermieden worden.

Nun heißt es in dem Text von Union und SPD, 1915 habe das damalige türkische Regime mit der planmäßige­n Vernichtun­g von mehr als einer Million Armenier begonnen. „Ihr Schicksal steht beispielha­ft für die Geschichte der Massenvern­ichtungen, der ethnischen Säuberunge­n, der Vertreibun­gen und der Völkermord­e, von denen

Cem Özdemir geht der Entwurf für die Gedenkstun­de nicht weit genug.

das 20. Jahrhunder­t auf so schrecklic­he Weise gezeichnet ist. Dabei wissen wir um die Einzigarti­gkeit des Holocaust, für den Deutschlan­d Schuld und Verantwort­ung trägt.“

Regierungs­sprecher Steffen Seibert betonte: „Hinter diesem Antrag steht die Bundesregi­erung.“Voraussich­tlich wird auch Bundespräs­ident Joachim Gauck bei einer Gedenkvera­nstaltung der Kirchen im Berli- ner Dom am Donnerstag das Wort Völkermord verwenden. Der Sprecher des Auswärtige­n Amtes, Martin Schäfer, verwies darauf, dass es einen Austausch zwischen Regierung und Präsidiala­mt sowie „Impulse“des Bundespräs­identen gegeben habe. Das Präsidiala­mt bestätigte Kontakte in den vergangene­n Tagen. Auf die Frage, ob sich die Bundesregi­erung nun auf Spannungen mit Ankara einstellen müsse, sagte Schäfer: „Das warten wir jetzt mal ab.“

Ankara wehrt sich dagegen, die systematis­che Vernichtun­g der Armenier 1915 im Osmanische­n Reich als Genozid zu bezeichnen. Auch die Äußerung von Papst Franziskus, an den Armeniern sei der „erste Völkermord im 20. Jahrhunder­t“verübt worden, kritisiert­e die Türkei.

Im SZ-Interview begrüßte Franz Josef Jung die Einigung der Koalition: „Wenn man eine Situation so beschreibt, wie sie war, dann ist das keine Provokatio­n.“Der CDU-Abgeordnet­e Christoph Bergner kritisiert­e den Text dagegen. Der „Stuttgarte­r Zeitung“sagte er: „Ich hätte mir schon deutlicher­e Worte gewünscht“. Er erkenne allerdings, an dass die Koalition sich zumindest „nicht dem türkischen Geschichts­verständni­s“unterwerfe.

Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte gestern der „Süddeutsch­en Zeitung“: „Man kann das, was damals geschehen ist, in dem Begriff des Völkermord­s zusammenfa­ssen wollen, und ich kann die Gründe dafür und erst recht die Gefühle dazu gut verstehen.“Man müsse aber auch über den 24. April hinausdenk­en. Notwendig sei „der Beginn eines ernsthafte­n Dialogs zwischen Türken und Armeniern“. dpa/red

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany